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Folgekosten der VorratsdatenspeicherungBig Brother verteuert Telefon

Telekom-Unternehmen müssen Verbindungen ein halbes Jahr auf Vorrat speichern. Bezahlen soll der Verbraucher.

Laufende Kosten für Datenspeicherung? Die werden wohl auf den Verbraucher umgelegt. Bild: dpa

BERLIN taz Die Bundesregierung will künftig genau überprüfen können, wer mit wem im Internet oder am Telefon Kontakt hat. Diese sogenannten Verbindungsdaten sollen die Telekommunikationsunternehmen sammeln. Nun kommt heraus, dass die Gespeicherten selbst, also die Kunden, die Kosten für die Datensammelei tragen sollen. Das zeigen neueste Berechnungen des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft Eco, die der taz vorliegen. "Die Unternehmen können ihre eigenen Gewinnmargen verringern", sagt Eco-Sprecherin Maritta Strasser, "oder sie können die Kosten an ihre Kunden weitergeben." Es geht um viel Geld bei der Speicherung von Verbindungsdaten, die Branche rechnet mit 332 Millionen Euro, die bis 2013 anfallen.

Auch die Regierungskoalition geht davon aus, dass die Kommunikationsanbieter die Kunden für das Datensammeln zur Kasse bitten werden. "Es ist zu erwarten, dass die betroffenen Unternehmen die zusätzlichen Kosten [...] an die Kunden weitergeben werden", heißt es im Gesetzentwurf. Sechs Monate lang werden Telekommunikationsunternehmen künftig speichern müssen, wer mit wem kommunizierte - egal ob per Internet, Mobilfunk oder Festnetz. Geht es nach CDU und SPD, tritt das Gesetz am 1. Januar in Kraft.

332 Millionen Euro für die Vorratsdatenspeicherung sind laut dem Eco-Papier nur der Anfang. Nach der Einführung der neuen Technik für die Vorratsdatenspeicherung kämen auf die Unternehmen ab 2013 jährlich noch einmal gut 73 Millionen Euro zu, um die Technik regelmäßig zu erneuern. Personal- und Betriebskosten sind dabei nicht mitgerechnet. "Diese Kosten werden ebenfalls beträchtlich sein", glaubt Eco-Sprecherin Maritta Strasser, "wir können sie aber nicht seriös schätzen, dazu gibt es zu viele unterschiedliche Beschäftigungsmodelle."

Was die Unternehmen gegen die Vorratsdatenspeicherung aufbringt, ist auch, dass sie ungefragt zu Hilfssheriffs der Sicherheitsbehörden gemacht werden. "Die Anbieter werden zu Zwecken der Strafverfolgung herangezogen", sagte Solveig Orlowski, Leiterin des Hauptstadtbüros des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). "Dabei ist das eine originäre Staatsaufgabe." Bezahlen wollten die Regierungen dafür aber deswegen nicht, weil sie dann die Überwachung einschränken müssten, sagt Richard Nash vom europäischen Verband der Internetanbieter EuroISPA in Brüssel: "Die Kosten für weitreichende Überwachungsmaßnahmen zwingen Staaten normalerweise dazu, mit diesen Mitteln verhältnismäßig umzugehen, aber offenbar soll es diese Einschränkung dieses Mal nicht geben."

Schon heute werden die Anschlussdaten für das Festnetz gesammelt, damit die Anbieter die Telefonrechnungen kalkulieren können. "Aber wir müssen bisher nicht speichern, wann jemand eine Mail schickt und wann sie der Empfänger öffnet", sagte Eco-Sprecherin Strasser, "doch künftig wird genau das notwendig sein." Die entsprechende Technik müsse zum Teil neu entwickelt werden, denn die "äußerst sensiblen Daten" sollten schließlich sicher gespeichert werden.

Weil Firmen, die hauptsächlich Festnetzanschlüsse anbieten, nicht so viel nachrüsten müssen, rechnen sie in der Regel auch mit weniger Kosten durch die Vorratsdatenspeicherung. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) überschlägt diese unter anderem deswegen nur mit etwa 50 bis 75 Millionen Euro. Die Summe entspricht knapp einem Fünftel der Eco-Zahlen. "Das ist aber lediglich eine aggregierte Schätzung für die Telekommunikationsbranche", relativierte Guido Brinkel, Bereichsleiter Medienpolitik bei Bitkom. Der Verband habe sich bei den Berechnungen auf die Mitgliedsunternehmen gestützt und die Summe dann überschlagen. Reine Mailprovider seien - anders als in der Eco-Schätzung - nicht erfasst.

Auch Eco hatte vor kurzer Zeit die Kosten niedriger angesetzt - mit etwa 240 Millionen Euro. Die neue Kalkulation erklärte der Verband damit, dass mehr Unternehmen mit einbezogen worden seien. Auch habe man die zur Datenspeicherung notwendigen technischen Neuanschaffungen bei der neuen Studie gründlicher bewertet.

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