Fördergelder noch nicht überwiesen: Blockiert im Kampf gegen rechts
Kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt sind die wichtigsten Berater gegen Rechtsextremismus dort arbeitslos. Die Fördergelder wurden noch nicht überwiesen.
In zwei Monaten ist Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, die NPD lag in Umfragen zuletzt bei etwa 4 Prozent - sie könnte also in ein drittes ostdeutsches Landesparlament einziehen. Und was machen die profiliertesten Berater gegen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt? Sie sitzen seit Jahresbeginn arbeitslos zu Hause. Der Grund: Das Geld aus dem Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus ist bei den Initiativen noch nicht angekommen.
Der Verein Miteinander in Magdeburg - die wichtigste Institution auf dem Feld der Rechtsextremismusbekämpfung in Sachsen-Anhalt - kann derzeit 13 Mitarbeiter nicht bezahlen. Betroffen sind die Arbeitsstelle Rechtsextremismus, die Regionalen Beratungsteams und die Beratung für Opfer rechter Gewalt. "Im Grunde ist das ein schlechter Witz", sagt der Geschäftsführer des Vereins, Pascal Begrich, der taz. Die Opferberatung biete derzeit nur eine Notbereitschaft an, Informationsveranstaltungen könnten just in der Wahlkampfphase vorerst nicht organisiert werden.
Notbremse gezogen
"Es ist aber nicht mal so, dass die Behörden geschlampt hätten", sagt Begrich. "Das ist einfach die ganz normale Absurdität der Projektförderung." Der Geschäftsführer erklärt die prekäre Situation so: Zwar seien die Fördermittel aus dem Bundesprogramm schon bewilligt, das Geld werde über das Land Sachsen-Anhalt ausgezahlt. Aber das Landesfinanzministerium habe das Geld noch nicht freigegeben. Laut Begrich wartete der Verein im vergangenen Jahr bis März auf die Mittel. Damals habe man die Gehälter vorfinanziert und sei kurz vor der Insolvenz gewesen. "Dieses Jahr haben wir vorsichtshalber die Notbremse gezogen."
Die Klausel: Die Regierung hält weiter an ihrer umstrittenen Extremismusklausel fest. Die Skepsis des Berliner Verwaltungsrechtlers Ulrich Battis teile man nicht, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünenpolitikerin Monika Lazar. Battis war in einem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klausel mit dem Grundgesetz weitgehend unvereinbar sei.
Der Hintergrund: Das Familienministerium und das Innenministerium verlangen von Trägern, die durch die Bundesprogramme gegen Extremismus gefördert werden wollen, selbst ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung; zugleich soll auch die Verfassungstreue von Projektpartnern überprüft werden. Dies war von Anit-rechts-Initiativen, Grünen und Linken kritisiert worden. Die Regierung hält es für "rechtlich unbedenklich". (wos)
Im Bundesfamilienministerium zeigt man sich verwundert über den Fall. Das Ministerium stellt die Mittel für die Projekte zur Verfügung - und verlangt dafür nebenbei in diesem Jahr erstmals die Unterzeichnung einer politisch umstrittenen Antiextremismusklausel. "Es ist natürlich nicht in unserem Interesse, dass ein Träger seine Leute in die Arbeitslosigkeit schicken oder Insolvenz anmelden muss", sagt ein Sprecher. "Die Länder sind gehalten, die Träger liquide zu halten." Notfalls müsse das Land selbst Geld vorstrecken.
Das Sozialministerium von Sachsen-Anhalt sieht das Problem indes beim Verein Miteinander. Hildegard Rode koordiniert die Arbeit gegen rechts im Ministerium. Das Verhalten des Vereins sei "nicht ganz angemessen", sagt sie. "Es ist total wichtig, dass gerade jetzt im Vorfeld der Landtagswahl auf diesem Feld gearbeitet wird." Zumal die Förderung des Vereins Miteinander "in keinster Weise infrage stehe". Der Erlass des Finanzministers jedenfalls sei "jeden Tag" zu erwarten. Der Verein hätte die Gehälter daher vorfinanzieren müssen - zum Beispiel über einen Kredit.
Doch das hält Geschäftsführer Pascal Begrich von Miteinander e. V. nicht für machbar. Der Verein decke seine Kosten zum Teil ohnehin über Spenden ab. "Die Zinsen für einen solchen Kredit bezahlt uns niemand", sagt er. Zumal keiner sicher wisse, ob das Geld nicht wieder erst im März ankomme. Er klingt ratlos. "Verwaltung und freie Träger, das sind einfach zwei Welten." Die NPD wird es freuen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“