: Flugzeugabsturz mit Folgen
Der Untersuchungsausschuß wirft der niederländischen Regierung schwere Versäumnisse im Umgang mit der Amsterdamer Flugzeugkatastrophe vor ■ Von Nicola Liebert
Berlin (taz) – Am 4. Oktober 1992 krachte der El-Al-Jumbo LY 1862 in zwei Wohnblocks der Amsterdamer Trabantenstadt Bijlmer. Erst sieben Jahre später erhielt nun die niederländische Öffentlichkeit einigermaßen handfeste Informationen über den Crash, bei dem 43 Menschen starben.
Gestern stellte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß seine Ergebnisse vor – und verband dies mit harscher Kritik an Regierung, Beamten und dem niederländischen Luftfahrdienst. Die Regierung habe das Parlament „nicht sorgfältig, unvollständig, zu spät oder falsch“ informiert. Und noch schlimmer: Regierungschef Wim Kok, der übrigens erst zwei Jahre nach der Katastrophe sein Amt antrat, habe bei der Koordinierung versagt und die Besorgnis der Bevölkerung nicht ernst genug genommen. Der Bericht soll im Mai vom Parlament debattiert werden. Dabei könnte es zu einer Vertrauensabstimmung kommen.
Die betroffene Bevölkerung in Bijlmer wie auch die Retter am Unglücksort haben tatsächlich Anlaß zur Besorgnis. Seit dem Absturz der El-Al-Maschine klagen viele von ihnen über Gesundheitsprobleme wie ständige Übelkeit, Kopfschmerzen und Immunerkrankungen. Mysteriöse Dinge wurden gemeldet. An der Unglücksstelle wurden in weiße Schutzanzüge gekleidete Männer beobachtet, der Flugschreiber verschwand und die Frachtpapiere erwiesen sich als unvollständig.
Erst Stück für Stück kamen brisante Informationen ans Licht. So hatte das Flugzeug mitnichten bloß harmlose Blumen und Parfum an Bord, sondern Kriegsgerät und Munition. Erst im vergangenen Jahr hatte die israelische Regierung zugegeben, daß sich an Bord der Unglücksmaschine mindestens 190 Liter DMMP befanden, ein Vorprodukt des Giftgases Sarin. Außerdem wurde bekannt, daß abgereichertes Uran als Ballast in den Flugzeugflügeln diente.
Die Parlamentarier kamen in ihrem Bericht nun zu dem Schluß, daß die Gesundheitsprobleme auf jeden Fall in direktem Zusammenhang mit dem Absturz stünden. Doch hätten sie keinen Anlaß, an den Angaben der israelischen Regierung zu zweifeln, daß das DMMP ungiftig sei. Vielmehr seien durch das Feuer an der Unglücksstelle giftige Substanzen, darunter Salzsäure und Dioxin, freigesetzt worden.
Besonders heftig kritisiert werden in dem Bericht die zwei Vize-Premierministerinnen: Gesundheitsministerin Els Borst und Ex-Verkehrsministerin Annemarie Jorritsma seien für die schleppende Aufklärung der Fracht und die fehlende Information des Parlaments und der Betroffenen verantwortlich. Beide hatten ihren Rücktritt angeboten, falls der Bericht ihnen Fehler nachweise.
Auch die Fluggesellschaft El Al und die israelische Regierung werden wegen ihrer mangelnden Kooperationsbereitschaft in dem Bericht angegriffen.
Insbesondere angesichts der guten Beziehungen zwischen Israel und den Niederlanden sei es unverständlich, daß die israelische Seite nicht mehr Hilfe bei der Suche nach Dokumenten geleistet habe.
Immerhin erlaubt die niederländische Regierung der israelischen, den Amsterdamer Flughafen Schiphol als Drehscheibe für den Waffenimport von den USA nach Israel zu benutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen