Flugtanz Die Voladores in Mexiko vollführen ein spektakuläres Ritual: Um eine reiche Ernte zu erbitten, umkreisen sie kopfüber hängend einen bis zu 40 Meter hohen Baumstamm. Eine Fotogeschichte aus Mexiko von Kike Arnal: Waghalsige Himmelsstürmer
Interview Edith Kresta
Er ist in Venezuela geboren, lebt in Kalifornien und arbeitet seit 20 Jahren als Dokumentarfotograf. Sein Interesse gilt Menschen, die aus ethnischen, kulturellen oder persönlichen Gründen am Rande der Gesellschaft leben. Zahlreiche Ausstellungen und Veröffentlichungen, darunter auch „Voladores“ (Meristemo, 2014).
taz: Mexiko ist erzkatholisch, aber das Ritual der Flugtänzer hat sich bis heute erhalten. Wo findet man es noch?
Kike Arnal: Der Flugtanz war ein Ritual in ganz Mittelamerika, bevor die Spanier kamen. Was vor rund 1.500 Jahren als Fruchtbarkeitsritual begann, wird heute noch in einigen Regionen praktiziert: bei den Totonaken im Staat Veracruz, bei den Náhuatl in der Sierra Norte de Puebla und bei den Otomíes im Zentrum von Mexiko.
Was bedeutet das Ritual?
Es gibt viele Interpretationen, aber man ist sich einig, dass es ein Tanz für die Götter ist, um für Fruchtbarkeit zu bitten. Mit der Ankunft der Spanier in Amerika überlebte der Tanz als synkretischer Rest in den katholischen Feiern.
Ist der Tanz heute tatsächlich noch lebendige Tradition oder Touristenspektakel?
Es kommt darauf an, wo der Tanz aufgeführt wird. In den abgelegenen Dörfern und Gemeinden in den Bergen ist der Tanz noch eine lebendige Tradition. Dort findet er während der religiösen Feste oder zu Ehren der regionalen Heiligen statt. In größeren Orten wie Puebla oder Veracruz hat sich der Tanz zu einem Parallelspektakel während der Feste entwickelt. In einigen Fällen wurde er zum Touristenspektakel, zum Beispiel in Papantla, Cancún und Mexiko-Stadt. Eine Darstellung indigener Kultur, fern vom eigentlichen Ritual.
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Wie funktioniert das Ritual?
Der Ablauf ist immer der gleiche: Fünf Männer klettern auf einen 18 bis 40 Meter hohen Pfahl. Einer beginnt auf einer Flöte zu spielen oder zu trommeln, die vier anderen wickeln sich Seile um den Bauch und lassen sich, um den Pfahl rotierend, zur Erde herunter. Das Spektakel symbolisiert Sonne und Wind. Tänzer und Zuschauer feiern die Geburt des Universums und bitten die alten Götter um Fruchtbarkeit.
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