Flughafen-Debakel in Berlin: Verlängerung für das Auslaufmodell
Lufthansa und Air Berlin wollen trotz der verschobenen Eröffnung des Großflughafens die Zahl ihrer Flüge nicht reduzieren. Die Rettung soll Tegel sein.
Nach der geplatzten Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens zum 3. Juni kommen auf den chronisch überlasteten Flughafen Tegel und seine Anwohner große Belastungen zu. Die Fluggesellschaft Air Berlin drängt darauf, das Nachtflugverbot in Tegel einzuschränken. Es soll nur noch von Mitternacht bis 5 Uhr gelten, also morgens und abends um je eine Stunde verlängert werden. Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn stellte eine entsprechende schriftliche Anfrage an Flughafenchef Rainer Schwarz.
Sowohl Air Berlin als auch die Lufthansa hatten zuvor angekündigt, ihr für den neuen Flughafen BER in Schönefeld geplantes Flugprogramm bis zur Fertigstellung von BER komplett über Tegel abzuwickeln. Das würde bedeuten, dass in Tegel dann pro Woche bis zu 400 Flüge mehr abgefertigt werden.
„Dafür haben wir bereits eine feste Zusage von der Flughafengesellschaft“, sagte Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber der taz. Die Lufthansa werde ihren zum Sommer deutlich ausgeweiteten Flugplan ohne Abstriche über Tegel fliegen. Die Airline hatte ihre Verbindungen für BER von Berlin von 11 auf 39 Flugziele aufgestockt. Auch Air Berlin bestätigte der taz, über eine entsprechende Zusage der Flughafengesellschaft zu verfügen. „Wir gedenken, alle Flüge, die für BER geplant waren, nach Tegel zu verlegen“, sagt Sprecherin Sabine Teller. Air Berlin plant, BER zum eigenen Drehkreuz auszubauen. Die Airline bietet ab dem Sommer insgesamt 70 Non-Stop-Verbindungen ab Berlin an. Das entspreche 1.500 Starts und Landungen pro Woche, so Teller.
Doch schon jetzt, ohne den zusätzlichen Verkehr aus BER, gilt der Flughafen Tegel als chronisch überlastet. Im vergangenen Jahr wurden dort rund 17 Millionen Passagiere registriert – 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit hat der Flughafen die Zahl der ursprünglich zu Bauzeiten erwarteten Passagiere um mehr als das Doppelte übertroffen. „Tegel platzt vor Flug- und Passagieraufkommen aus allen Nähten“, sagt eine Sprecherin von Globe Ground. Die Firma ist die für die Abfertigung der Flugzeuge und Passagiere am Boden zuständig. „Wir können zwar an Personal aufstocken. Doch ab einem bestimmten Punkt wissen wir einfach nicht mehr, wohin wir die Flieger abstellen sollen.“
Auch Air-Berlin-Chef Mehdorn räumte gegenüber dem RBB ein, dass Tegel nicht die optimale Lösung sei: „Wir können schon länger unseren Kunden in Tegel nicht mehr den Service bieten, den sie erwarten“, sagte er. Tegel sei zu eng und zu klein. Air Berlin und die Lufthansa gehören zu den wichtigsten Kunden des Flughafens Tegel und haben ihre Flotten dort stationiert. Schon deshalb sei es unmöglich, die zusätzlichen Flüge zwischen Tegel und dem alten Flughafen Schönefeld SFX aufzuteilen, sagt Lufthansa-Sprecher Wagner. „Dann müssten wir an zwei Flughäfen unsere Technik bereithalten. Das ist ausgeschlossen.“
Wagner geht davon aus, dass eher jene Airlines alternativ auf SFX ausweichen werden, die keine Flotten vor Ort in Tegel haben. „So kann dort Platz geschaffen werden.“ Die Lufthansa gehe fest davon aus, dass der Flughafen Tegel den erhöhten Flugbetrieb sicher und professionell abwickeln werde. Ähnlich optimistisch zeigt sich die Deutsche Flugsicherung (DFS). Tegel verfüge über eine Kapazität von 52 Starts und Landungen pro Stunde, Schönefeld SFX kommt auf 26. Damit besitzen die beiden Flughäfen zusammen 78 von diesen sogenannten Slots. Das sind immer noch zwei mehr als am neuen Großflughafen. „BER sollte mit 76 Slots starten“, so eine DFS-Sprecherin.
Entspannt gibt sich auch Ralf Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV. „Der Flughafen Tegel hat bereits in den letzten Jahren und Monaten gezeigt, dass er den stets wachsenden Passagierzahlen gerecht werden konnte. An vertretbare Kompromisse sind wir in Tegel gewöhnt“, sagte Beisel der taz. Sicherlich sei die Situation am Flughafen für die Mitarbeiter bei Airlines und Abfertigern eine große Belastung. Aber das sei zu stemmen und keine Katastrophe.
Die für die Berliner Flughäfen zuständige Flughafengesellschaft wollte sich bis zum Redaktionsschluss nicht dazu äußern, wie sie sich die Tegeler Übergangslösung vorstellt.
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