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Flughafen-AusschussBohrende Fragen am Telefon

Landesbeamter erhebt schwere Vorwürfe gegen Brandenburgs Landesregierung: Er habe 2001 Bürgerkritik am Flughafen entschärfen sollen.

Der Flughafen wirft immer neue Fragen auf. Bild: dpa

Brisante Zeugenaussage im Flughafen-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses: Brandenburgs SPD-geführte Landesregierung soll vor über zehn Jahren Druck auf einen Beamten ausgeübt haben, damit der Kritik von Bürgern an den Flughafenplanungen weniger Bedeutung zugemessen wird. Konkret geht es um den Abschlussbericht zu öffentlichen Anhörungen im Jahr 2001, in denen Bürger und Kommunen ihre Bedenken gegen das Projekt zum Ausdruck bringen konnten. Der für den Bericht zuständige Chef der Anhörungsbehörde, Joachim Leyerle, berichtete als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss von einem Anruf des damaligen Abteilungsleiters im Brandenburger Infrastrukturministerium, Rainer Bretschneider (SPD), durch den er sich stark unter Druck gesetzt fühlte. Bretschneider koordiniert heute als Staatssekretär die Arbeit von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft.

Bei dem Anruf habe Bretschneider auf einen Zeitungsartikel hingewiesen. In diesem hatte ein Sprecher des Infrastrukturministeriums zum Ausdruck gebracht, dass die Planfeststellungsbehörde und nicht der Bericht zu den Bürgeranhörungen für die Flughafengenehmigung entscheidend sein würden. „Bretschneider fragte, ob ich den Artikel verstanden hätte“, sagte Leyerle. Zudem habe Bretschneider später „Gegenleistungen“ für Leyerles berufliche Weiterentwicklung verlangt. Dies habe er als klare Mahnung verstanden, strittigen Themen wie einer strikteren Nachtflugregelung oder der Standortkontroverse keine prominente Erwähnung im Bericht zu schenken.

Weil Leyerle die Mahnung ignorierte, sei er später schlecht beurteilt und nicht mehr befördert worden. Heute ist Leyerle an anderer Stelle für das Land Brandenburg tätig, befindet sich aber derzeit in zwei Rechtsstreiten mit dem Infrastrukturministerium. Bretschneider sagte am Freitag ebenfalls vor dem Untersuchungsausschuss aus, gab jedoch an, sich an kein entsprechendes Telefonat erinnern zu können.

Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto nannte den geschilderten Vorgang „ungeheuerlich“, Pirat Martin Delius sprach von „katastrophalen Zuständen in Brandenburgs Planfeststellungsbehörde“. In der nächsten Ausschusssitzung am 24. Mai soll der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) aussagen.

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