Flügelstreit: Bloß keine Schwäche zeigen
Kurz vor der Landtagswahl treten mehrere unzufriedene Funktionäre publikumswirksam aus der schleswig-holsteinischen Linkspartei aus - die will sich dennoch als siegesgewiss verkaufen.
Von "stalinistischen Altkadern der PDS" ist die Rede, die nur "Machterhalt und Machtgewinn" im Auge hätten: Nein, mit dieser Linkspartei wollen die zwölf Frauen und Männer, die am Donnerstag in Neumünster vor die Presse traten, nichts mehr zu tun haben. Öffentlichkeitswirksam verkündeten Linken-Funktionäre unter anderem aus Neumünster und dem Kreis Plön ihren Austritt aus der Partei.
Die Vereinigung von WASG und PDS sei gescheitert, erklärten die Dissidenten. Der Landesvorstand nutze "Trickserei", um Kandidaten auf Posten zu hieven. Das Problem: Vorwürfe um Posten und persönliche Vorteile machen andere Teile der schleswig-holsteinischen Linken den gestern Ausgetretenen.
Einer von ihnen, Jörn Seib, gründete 2008 gemeinsam mit dem Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann den "Neumünsteraner Kreis" und kritisierte den Landesvorstand. Bei internen Wahlen scheiterten darauf die meisten Kandidaten des "Kreises" - aus Sicht der nun Ausgetretenen, weil der Vorstand sich nicht an die Statuten halte und falsche Mitgliederzahlen angebe, um einigen Kreisen mehr Delegierte zu verschaffen. "Willkürliches Machtgehabe" nennt das Harry Bleckert, ehemaliger Sprecher des Kreisverbandes Plön.
Eine Reihe öffentlicher Skandale belasten die Linkspartei in Schleswig-Holstein - angeheizt durch die verschiedenen Parteiflügel.
Mit einer Stalin-Torte feierte 2004 der heutige Lübecker Kreisvorsitzende Ragnar Lüttke. Beweisbilder gelangten im vergangenen Jahr in die Presse.
Föten mit Kaulquappen verglich Asja Huber, Lübeck, und sorgte damit im laufenden Wahlkampf für einen Skandal.
Schwulenfeindlich fand schließlich nicht nur die FDP die Frage des Rendsburger Linken Volker Lindenau: "Ist Guido Westerwelle ein Nymphensittich?" - immerhin sei der FDP-Chef "gut zu Vögeln".
Nach der Wahl werden sich Austritte häufen, schätzen die Unzufriedenen. Ein Auffangbecken für Gleichgesinnte haben sie auch gegründet: 30 Mitglieder, sagte Seib, habe der neue Verein "Linksbündnis e. V." bereits. Angela Whyte aus Kiel berichtete von ähnlichen Zerfallstendenzen in anderen westlichen Landesverbänden. Dagegen spricht die Landesvorsitzende Cornelia Möhring von "rasantem Wachstum" der Mitgliederzahl.
Tags zuvor, in einer Rendsburger Kneipe, hatte der Bundestagskandidat Raju Sharma, die angekündigten Austritte noch mit einer Handbewegung abgetan: Die Stimmung sei trotzdem "großartig". Wonach es nicht wirklich aussah: Obwohl der Europaabgeordnete Lothar Bisky zu Gast war, ein Linkspartei-Zugpferd und zudem beinahe ein Sohn der Stadt - er ging in Rendsburg zur Schule -, waren nur etwa 50 Zuhörer gekommen.
"Die Leute sind sehr interessiert", sagt Sharma unbeirrt: "Viele nehmen an den Ständen das ganze Wahlprogramm mit." Tatsächlich hat die Linke in Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen Fahrt aufgenommen - allerdings hatte es anfangs auch so ausgesehen, als sei die Partei von der vorgezogenen Landtagswahl überrascht worden. Das Selbstbewusstsein wächst, seit Umfragen die Partei bei rund sechs Prozent sehen: Spitzenkandidatin Antje Jansen protestierte, dass sie nicht am TV-Duell der kleinen Parteien teilnehmen durfte, und bei der jüngsten Landtagsdebatte kommentierten Mitglieder der linken "Schattenfraktion" jeden einzelnen Antrag.
In Rendsburg hatte man vorgestern Abend dennoch keinen leichten Stand - was mit dem örtlichen Spitzenkandidaten, Volker Lindenau, zu tun haben könnte: Einen Text Lindenaus über FDP-Chef Guido Westerwelle nannte die FDP "menschenverachtend" (siehe Kasten). Biskys Verteidigung fiel denn auch eher lau aus: Man könne den Text verschieden lesen.
Echte Stimmung kam nicht auf, als der prominente Gast seine Rede abspulte: Hartz IV, Afghanistan, Bildungspolitik, Ackermanns Diner im Kanzleramt. In Schleswig-Holstein werde die Linke einen Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank fordern, so Bisky - den gibt es bereits, und dass seine Arbeit nach der Wahl fortgesetzt wird, ist Konsens. "Für eine starke Opposition, im Bund und im Land", warb Bisky dennoch um alle Stimmen für die Linke. In Neumünster und Plön werden ein paar fehlen: Ihr Kreuz, das kündigten die Ex-Linken gestern an, wollen sie woanders machen.
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