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Flügellahme Frittenbude

■ Wie die Bremer Musikhochschule mit ihren Absolventen umgeht

Die Bremer Musikhochschule hat einen überregionalen Ruf. Mit Grund: Es gibt zu wenige Hochschullehrer, und die, die die es gibt, sind in aller Regel aus den alten Zeiten des Konservatoriums zu Professoren konvertiert. Ein Konzept zur Entwicklung des schläfrigen Fachbereichs ist nicht in Sicht. Trotzdem: So acht bis zehn Mal im Jahr gelingt es, einen der StudentInnen zur künstlerischen Reifeprüfung zu führen. Da müssen die StudentInnen beweisen, daß sie in der Lage sind, ein abendfüllendes Konzert zu bestreiten. Und dazu braucht es selbstverständlich Publikum.

Das war am Mittwoch abend auch reichlich im Foyer der Musikhochschule erschienen, um der Prüfung eines Saxophonisten zu lauschen. Publikum war also da, Saxophonist war da, begleitende PianistInnen waren da, Prüfer kamen schließlich doch und ein Flügel war auch da. Nur: Das Instrument war hoffnungslos verstimmt. So nicht, sprach der Prüfling und brachte damit einen in Wallung, der zufälligerweise auch da war: den Sprecher des Fachbereichs Musik, Kurt Seibert. Der verkündete kurzerhand: Es wird geprüft. Schließlich sei der Flügel im Hörsaal gestimmt und ein Student habe keinen Anspruch auf einen bestimmten Raum.

„So nicht“, sprach der Prüfling. Denn schließlich handele es sich auch um ein öffentlich angekündigtes Konzert, und da sei es ja wohl nicht zumutbar, das Konzert drei Minuten vor Beginn einfach zu verlegen. „Der Student weigert sich, eine Prüfung zu machen“, wollte Seibert schriftlich festhalten. Doch da wurde das Publikum motzig: „Unverschämtheit“, „typisch Musikhochschule“, „organisiert wie eine Frittenbude“. Bei soviel Gegenwind fand Seibert nun die Weigerung des Studenten „verständlich“ und philosophierte darüber, daß er sofort die Prüfungsordnung ändern werde. Die angehenden Konzertmusiker sollen ihr Können künftig hinter verschlossenen Hochschultüren vorführen. Denn, so die hohe Meinung Seiberts von der Ausbildungsqualität an seinem Fachbereich: „Schließlich sind einige dabei, die gar nicht in der Lage sind, ein öffentliches Konzert zu geben.“

Von der Behörde, die die Oberaufsicht über die flügellahme Musik-Hochschule hat, droht dem renitenten Prüfling kein Unbill. „Die Daten für die Prüfung gibt der Prüfungsausschuß zwei Wochen vorher bekannt,“ zitiert die zuständige Heide Dingeldein aus der Prüfungsordnung. „Da kann man nicht drei Minuten vorher den Raum ändern.“ Und: „Sowas kommt höchstens mal an der Musikhochschule vor.“ hbk

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