Flüchtlingspolitik: Jugendlicher allein abgeschoben
Seit seinem achten Lebensmonat lebt Senad T. in Berlin. Trotzdem schiebt die Ausländerbehörde den 16-jährigen Kosovo-Albaner ab. Seine Mutter folgt ihm. Nun dürfen beide nicht mehr zurück.
Eigentlich sollten Abschiebungen von langjährig in Deutschland lebenden Minderjährigen längst der Vergangenheit angehören. Doch wie die taz am Dienstag erfuhr, wurde am 9. November der 16-jährige Kosovo-Albaner Senad T. auf dem Weg zur Berufsschule in Charlottenburg von Polizisten festgenommen. Noch am selben Abend schoben ihn die Sicherheitsbehörden nach Belgrad ab.
Was die Flüchtlingspolitik betrifft, bleibt Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ein Rätsel. Auf Bundesebene setzte er sich für ein Bleiberecht von langjährig geduldeten Flüchtlingen ein. In Berlin macht er den Hardliner. Zwar gab es bis November dieses Jahres 722 Abschiebungen - 386 weniger als im Vorjahreszeitraum. Andererseits haben nach Angaben der Grünen bislang nur 6,5 Prozent der langjährig geduldeten Flüchtlinge in Berlin eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. In Hessen sind es mehr als 40 Prozent. FLEE
"Mit der Abschiebung von Senad hat die Berliner Ausländerbehörde in grober Weise gegen das Kindeswohl verstoßen", kritisierte Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat. "Er ist hier aufgewachsen und mehr Berliner als Kosovo-Albaner." Senad war acht Monate alt, als seine Mutter und seine beiden älteren Geschwister 1991 nach Berlin kamen. Seine Ausbildung kann er im Kosovo nicht beenden, weil er kaum albanisch spricht.
Thomas verwies auf die UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland am 20. November 1989 unterzeichnet hatte. Damals verpflichteten sich die Vertragsstaaten, "dem Wohl des Kindes unbedingten Vorrang einzuräumen". Die Bundesregierung legte bei der Ratifizierung des Vertragswerk drei Jahre später jedoch den Vorbehalt ein, dass Flüchtlinge ab einem Alter von 16 Jahren wie Erwachsene behandelt werden und damit auch abgeschoben werden können.
Nach Ansicht des Flüchtlingsrats ist dieser Vorbehalt allerdings rechtswidrig; er verstoße gegen das Diskriminierungsverbot. Unabhängig von der eingeschränkten Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention hätten sich SPD und Linkspartei in der Koalitionsvereinbarung aber auch ausdrücklich für die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention ausgesprochen. Auf Bundesebene hatte sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in den vergangenen Jahren auch von seiner flüchtlingsfreundlichen Seite gezeigt. Er sprach sich für ein Bleiberecht von langjährig geduldeten Flüchtlingen aus. Die Bleiberechtsregelung trat Ende 2006 bundesweit in Kraft.
Doch im Fall von Senad handelte die Körting unterstellte Ausländerbehörde wie beim Kuhhandel. Sie bot dem 16-Jährigen an, die Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern, wenn im Gegenzug seine Mutter freiwillig abreist. Senad konnte aber schon deswegen nicht zustimmen, weil seine Mutter zu der Zeit im Krankenhaus lag und nicht reisefähig war. Sie dagegen hielt nach ihrer Genesung dem Druck der Behörden nicht lange Stand. Vergangenen Freitag reiste sie freiwillig ihrem jüngsten Sohn in den Kosovo nach. Nach Aussagen von Senads Schwester wird ihnen nun beiden die Rückkehr nach Berlin verweigert.
Der Flüchtlingsrat kritisierte, dass die Ausländerbehörde nicht einmal Senads Hintergrund ausreichend geprüft habe. Er wurde nach Belgrad abgeschoben, obwohl er zu Serbien überhaupt keinen Bezug hat. Thomas forderte den Innensenator zu einer "umfassenden Aufklärung des Vorfalls auf". Von der Innenverwaltung kam lediglich die Antwort, dass sie sich zu Einzelfällen grundsätzlich nicht äußert.
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