Flüchtlingskind in Hamburg gestorben: Todesursache wird ermittelt
Nach der Obduktion des toten Kinds sind die Ärzte in der Flüchtlings-Unterkunft nicht entlastet: So wirft der Dienstplan Fragen auf.
Die aus Syrien geflohenen Eltern haben schwere Vorwürfe gegen medizinischen Dienst in der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) am Rugenbarg erhoben: Sie seien zweimal an drei Tagen mit der Kleinen beim ZEA-Arzt gewesen. Obwohl ihre Tochter an Durchfall, Erbrechen und Fieber litt, hätten die Ärzte nur Fiebersenker gegeben.
„Ich habe die Ärztin gebeten, mir eine Überweisung fürs Krankenhaus zu schreiben, aber sie hat gesagt, nein, das würde sie mir nicht empfehlen“, sagte Vater Ibraheem A. gegenüber dem NDR-Fernsehen. Erst am späten Abend kam die Kleine mit dem Rettungswagen ins Kinderkrankenhaus Altona, von wo sie tags darauf ins UKE kam, Intensivstation, wo sie elf Tage später starb.
Die medizinische Versorgung der mehr als 1.300 Menschen in der ZEA verantwortet das UKE; die Klinik äußert sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht. Derweil nimmt der Senat die Ärzte in seiner Antwort auf eine CDU-Anfrage in Schutz: Das Kind sei am frühen Nachmittag des 22. Januar der Ärztin vorgestellt worden. „Zu dieser Zeit lagen nach Einschätzung der Ärztin Kriterien für eine Krankenhauseinweisung nicht vor. Eine Forderung der Eltern nach Einweisung wurde nicht erhoben.“
Diese Feststellung sei „bemerkenswert“, sagt die CDU-Abgeordnete Karin Prien, selbst Juristin. Sie habe zu dem Fall eine Menge Fragen, die sie heute Abend im Gesundheitsausschuss stellen will – zum Beispiel zur kinderärztlichen Versorgung am Rugenbarg. Laut einem aktuellen Dienstplan für alle 34 ZEAs der Stadt, der auch der taz vorliegt, gibt es dort nur Allgemeinmediziner. Der Senat hatte indes geantwortet, jeden Montagnachmittag halte dort ein habilitierter Kinderarzt Sprechstunde ab.
Die Kinder in den Flüchtlingsunterkünften gelten als sehr krank, weshalb Ärzte mehr Sprechstunden und mehr Betten in den Kliniken gefordert haben: Es sei ein Fehler, Kinder wie Erwachsene zu behandeln. Die Gesundheitsbehörde sieht keinen Handlungsbedarf: „Wir stellen allgemein sicher, dass ab 500 Bewohnern vier Stunden Kinderarztsprechstunde pro Woche stattfinden“, so Sprecher Rico Schmidt zum Abendblatt – ein „hervorragender Wert“.
Eine Auswertung des erwähnten Dienstplans ergibt, dass alle 34 ZEAs zusammen pro Woche 120 bis 130 Kindersprechstunden haben. Um die beanspruchten vier Stunden pro 500 Bewohner zu erreichen, wären bei rund 19.000 ZEA-Bewohnern 152 Stunden nötig, also bis zu 25 Prozent mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren