Flüchtlinge: Notunterkunft versus Refugee Center
Der Bezirk will in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg eine Notunterkunft einrichten.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg prüft, ob die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule zur Notunterkunft für Flüchtlinge umgebaut werden kann. Wie Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach bestätigte, hatte sich Bezirksstadträtin Jana Borkamp (Grüne) zuvor zusammen mit Experten für Hochbau, Haustechnik und Facility in dem Gebäude umgesehen. Angesichts des dringenden Bedarfs an Notunterkünften habe man auch noch andere Immobilien besichtigt.
In der Gerhart-Hauptmann-Schule, die seit über einem Jahr von Flüchtlingsaktivisten besetzt ist, erfolgte die Begehung „nur im dem Gebäudebereich, über den der Bezirk unstrittig verfügen kann“, so Langenbach, also im rechten Gebäudeflügel hin zur Ohlauer Straße. Kontakt mit den 18 Bewohnern, die den Westflügel bewohnen, gab es nicht.
Ohnehin ist die Umwidmung der Schule als Notquartier nicht sehr wahrscheinlich. Die Bausubstanz ist marode, eine Kostenschätzung des Bezirks von 2014 ging von rund 4 Millionen Euro für die Nutzbarmachung des Gebäudes aus. Dazu kommt die politische Gemengelage. Die Besetzer, die vom Bezirk geduldet werden, wollen ein selbst verwaltetes „Refugee Center“ mit Plätzen auch für Papierlose. Die Diakonie Stadtmitte, die als Trägerin im Gespräch ist, will ein reguläres Flüchtlingsheim. Die Verhandlungen stecken fest.
Für eine Notunterkunft steht die Diakonie nicht zur Verfügung, wie Evelyn Gülzow vom Diakonischen Werk Stadtmitte am Freitag sagte. „Wir sind ein kleiner Träger, für den Betrieb einer Massennotunterkunft fehlt uns das Know-how“. Der kurzfristigen Einrichtung einer Notunterkunft mit einem anderem Betreiber werde man aber nicht im Weg stehen.
Gülzow berichtet, dass die Besetzer sie vergangenen Mittwoch zum Gespräch in die Schule eingeladen haben. Die größtenteils aus Afrika stammenden Aktivisten hätten ihre Bereitschaft erklärt, die Schule für Kriegsflüchtlinge zu öffnen, auch als Notunterkunft. Für den heutigen Montag haben die Schulbewohner zur Pressekonferenz eingeladen. Dabei wollen sie ihre Pläne für ein „internationales Refugee Center“ vorstellen.
In der Pressemitteilung heißt es, dass die Diakonie dafür bereits eine Trägerschaft angeboten habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe