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Flüchtlinge vom OranienplatzEin Angebot, das keines ist

Flüchtlingsrat widerspricht Aussagen von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) zur Einigung mit Flüchtlingen und fordert Nachverhandlungen.

Bei der Demonstration gegen "staatliche Repression" am Samstag waren auch die Flüchtlinge vom Oranienplatz dabei. Bild: dpa

Der Berliner Flüchtlingsrat präzisiert seine Kritik an dem mageren Ergebnis des so genannten Einigungspapiers des Senats. „Rein juristisch wäre alles drin gewesen, auch die Maximalforderung der Flüchtlinge nach einem Bleiberecht für alle“, erklärt Martina Mauer der taz. Sie war für den Flüchtlingsrat bei den Verhandlungen dabei. Zu einem ähnlichen Schluss kommt ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags im Auftrag der Linksfraktion.

Die vor knapp einer Woche vom Senat präsentierte Einigung mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz wird von diesen mehrheitlich abgelehnt. Das Schriftstück sieht vor, dass die 467 Flüchtlinge den Oranienplatz räumen und aus der besetzten Schule ausziehen. Dafür wird ihnen „umfassende Einzelfallprüfung“ zugestanden. Der Sprecher der zuständigen Senatorin Dilek Kolat (SPD) hatte der taz erklärt, dies sei der „rechtliche Rahmen, über den wir nicht hinaus können“. Laut Mauer ist das jedoch nur das, worauf ohnehin jeder Anspruch hat. Nur die Zusage, ein Unterstützungsteam einzurichten, das die Flüchtlinge in ihren Einzelfallverfahren begleitet, sei ein echtes, positives Angebot.

Zudem sieht der Flüchtlingsrat viele nicht genutzte Möglichkeiten. „Ein Bleiberecht wäre möglich über Paragraf 23, Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Der besagt, dass die oberste Landesbehörde aus humanitären Gründen einer bestimmten Gruppe von Ausländern Aufenthalt geben kann“, erklärt Mauer. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält in einem Gutachten für die Linke-Abgeordnete Halina Wawzyniak fest, dass die Landesbehörden mit diesem Paragrafen eine weiten politischen Spielraum haben, zur „Wahrung der politischen Interessen“ Aufenthalt zu gewähren.

Rechtlich ja, politisch nein

Für viele sei diese Option jedoch unrealistisch gewesen, so Mauer, weil es dazu der Zustimmung des Bundesinnenministers bedarf. „Aber es gibt auch auf Landesebene verschiedene Möglichkeiten. Über die wurde lange und ausführlich in den Verhandlungen diskutiert.“ Aber ausschlaggebend sei die Frage, was politisch durchsetzbar sei, sagt Mauer weiter. Kolat habe mit großem Engagement mit den Flüchtlingen verhandelt, doch habe Innensenator Frank Henkel (CDU) von Beginn an deutlich gemacht, dass es mit ihm „keine Sonderbehandlung für den Oranienplatz gibt und er eigentlich sowieso räumen möchte“, so Mauer.

Was die Politik jedoch berücksichtigen müsse, sei die absolut „neuartige Situation“, die neue Antworten erfordere, so Mauer. „Der Oranienplatz mit dieser Protestbewegung aus anderen Bundesländern ist neu, und wir hatten vorher auch kein Lampedusa in Berlin.“ So hätten Flüchtlinge aus Lampedusa zwar eine Aufenthaltserlaubnis für Italien, aber dort bekämen sie keine Arbeit. In anderen EU-Ländern hingegen dürften sie dagegen nicht arbeiten. „Sie können auch nicht zurück in ihre Herkunftsländer, sie können nirgendwo hin. Das ist eine Folge des Libyenkrieges, das sind alles Menschen, die als Arbeitsmigranten in Libyen gearbeitet haben und von dort vertrieben wurden“, erklärt Mauer.

Diese Gruppe ist nach Darstellung des Flüchtlingsrates die einzige, der das „Einigungspapier“ eventuell hilft. „Es gibt ein Angebot für diese Gruppe, aber auch das ist vage.“ Sie sollen eine Duldung erhalten und Anträge auf Aufenthalt aus humanitären Gründen stellen. Die könnten aber auch ganz schnell abgelehnt werden, erklärt Mauer. Die große Mehrheit der Betroffenen habe Wohnsitzauflagen für andere Bundesländer und es sei völlig unklar, was mit ihnen passiere. Darunter seien auch die abgelehnten Asylbewerber aus anderen Bundesländern, von denen selbst Kolat sagt, sie könne ihnen nicht helfen – aber das seien ja nur 27. „Diese Gruppe ist viel größer“, widerspricht Mauer.

Und noch eine Zahl, die die Integrationssenatorin in den letzten Tagen wieder und wieder nannte, zieht die Expertin in Zweifel: dass 80 Prozent der Flüchtlinge der Einigung zustimmen würden. „Ich möchte gerne mal wissen, woher Frau Kolat diese Zahl hat. Hat sie mit denen allen gesprochen und die haben gesagt, ja ich will? Hat sie eine Abstimmung gemacht?“ Laut Mauer haben mindestens fünf der acht Delegierten das Papier nicht unterschrieben, weil es zu vage und unklar ist.

Deshalb fordert der Flüchtlingsrat die Fortsetzung der Gespräche zwischen Flüchtlingen und Senat, bis alle offenen Fragen geklärt sind. Verständnis zeigt Mauer aber auch für die Flüchtlinge, die dem Einigungspapier zugestimmt haben. „Wir sehen ja die Verzweiflung der Leute. Sie wünschen sich, dass jetzt irgendwas losgeht, irgendein Prozess in Gang kommt. Diesen Stillstand und dieses Nichts können viele nicht mehr aushalten.“

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4 Kommentare

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  • Vielleicht sollten die Flüchtlinge und die Unterstützer ihre Forderungen an die richtigen Personen stellen. Der Artikel zeigt ja auf, dass die geforderten Sonderregelungen in der Verantwortung des Bundesinnenministers liegen und nicht in der Zuständigkeit des Bundeslandes Berlin.

     

    Aber wer sollte eigentlich Interesse haben, mit den Leuten zu "verhandeln"? Flüchtlinge und Unterstützer akzeptieren offensichtlich nur die Erfüllung der Maximalforderungen.

     

    Mal sehen, was da so rauskommen wird.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      überlesen?

      „Aber es gibt auch auf Landesebene verschiedene Möglichkeiten. Über die wurde lange und ausführlich in den Verhandlungen diskutiert.“

      diese möglichkeiten zu nutzen wäre vernünftig. nicht linksextrem.

    • D
      D.J.
      @Gesunder Menschenverstand:

      Die entscheidende Frage ist doch, warum die Linksextremen unter den Unterstützern ein Interesse daran haben sollte, die Situation zu deeskalieren. Die Migranten und Flüchtlinge sind für solche Leute doch großteils nur nützliche Idioten.