Flüchtlinge in Leverkusen: Der Bund muss zahlen
Die Etats vieler Gemeinden werden durch die Aufnahme von Flüchtlingen belastet. Leverkusens Stadtkämmerer sieht deshalb den Bund in der Pflicht.
Das Argument ist oft zu hören – nicht nur von NPDlern, sondern auch aus der gesellschaftlichen Mitte. Tatsächlich müssen in Deutschland oft die Kommunen die Hauptlast für die Versorgung der Asylsuchenden tragen. Sie bekommen einen gewissen Anteil vom Land erstattet, die Länder wiederum erhalten dafür Geld vom Bund. Doch wie viel die Städte und Gemeinden am Ende zahlen müssen, variiert erheblich. In Bayern beispielsweise ist es fast nichts, in Nordrhein-Westfalen sind es über 80 Prozent.
Schlechter verhandelt hätten die dortigen Kommunen nicht, sagt der Leverkusener Stadtkämmerer Frank Stein (SPD). Die kommunalen Spitzenverbände würden die Auseinandersetzung mit der Landesregierung „intensiv“ und „mit Vehemenz“ führen. Doch die Lage in Nordrhein-Westfalen sei finanzpolitisch besonders schwierig, insbesondere wegen der Schuldenbremse.
2.419 Asylbewerber leben derzeit in Leverkusen. Stein rechnet damit, in diesem Jahr etwa 13,6 Millionen Euro für sie ausgeben zu müssen. Düsseldorf überweist ihm im Gegenzug nur magere 2,3 Millionen – bleibt ein Defizit von 11,3 Millionen Euro.
Das klingt für Außenstehende nicht nach viel angesichts eines Hauhaltsvolumens von über eine halben Milliarde. Doch der Großteil des Haushalts ist fix, nur wenige Posten entfallen auf sogenannte freiwillige Aufgaben und sind deshalb gestaltbar.
Kommunaler Stärkungspakt
Stein rechnet für 2015 mit einem Fehlbetrag von 72 Millionen. In den kommenden drei Jahren muss er auf eine schwarze Null kommen – dazu hat sich Leverkusen im „kommunalen Stärkungspakt“ verpflichtet. „Wir haben deswegen schon in der Vergangenheit alle Ausgabenposten längst auf links gedreht“, sagt Stein. Es sei deshalb „fiskalisch äußerst schwierig“, die zusätzlichen Ausgaben durch die Flüchtlinge noch unterzubringen.
An der Steuerschraube zu drehen lehnt er ab. Viele Möglichkeiten dazu gebe es ohnehin nicht. Um elf Millionen zusätzlich einzunehmen, müsste Leverkusen die Grundsteuer B um 200 sogenannte Hebesatzpunkte erhöhen. Derzeit liegt sie bei bei 592 Hebesatzpunkten – und schon das sei „nicht niedrig“, so Stein. Ein ganzes Drittel mehr – „das wollen und werden wir nicht tun“. Also muss er das Geld an anderer Stelle kürzen. Freiwillige Ausgaben, Personal, Gebühren, „die ganze Bandbreite“, sagt Stein. „Das wird mich den ganzen Sommer noch beschäftigen“, sagt er. Im November muss er den neuen Haushalt vorlegen.
Haben die Gegner der Flüchtlingsheime also recht? Stein weist das entschieden zurück: „Wer so argumentiert, tut das in der Regel nicht aus der Sorge um die Stadtfinanzen, sondern um die Ausgaben für politische Zwecke zu instrumentalisieren“, sagt er. Die humanitäre Verpflichtung den Flüchtlingen gegenüber stehe „nicht unter Finanzierungsvorbehalt“, so Stein. Für ihn sei es „gar keine Frage, dass wir uns dieser Verpflichtung stellen müssen.“
Im übrigen sei es nicht nötig, wegen der Ausgaben für die Asylbewerber „auf andere Dinge zu verzichten“, sagt Frank Stein, „wenn sich Bund und Länder die Lasten endlich gerecht aufteilen.“
Keine strukturelle Beteiligung
Doch eine strukturelle Beteiligung an den Kosten der Unterbringung und Versorgung hat das Bundesministerium bislang nicht zugesagt. Neben Einmal-Zuschüssen will das Ministerium die Kommunen vor allem dadurch entlasten, dass Flüchtlinge aus den Balkanstaaten in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder bleiben. Fast die Hälfte aller Asylsuchenden in diesem Jahr stammt aus Südosteuropa. „Die Antragsteller aus den Balkanstaaten spielen auch bei uns eine erhebliche Rolle“, sagt Stein. „Letztlich muss der Bund sich endlich strukturell und nachhaltig an den Ausgaben beteiligen.“
Das könnte, so schlägt er vor, nach demselben Modell geschehen wie bei den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Da übernimmt der Bund einen erheblichen Anteil an den Unterkunftskosten für die Langzeitarbeitslosen. Würde man das auf die Flüchtlinge übertragen, so Stein, dann wäre den Kommunen schon sehr geholfen. „Und dazu wäre der Bund auch durchaus in der Lage.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt