: Flüchtlinge in Bremen eingebunkert
Sozialbehörde proklamiert „Unterbringungsnotstand“ und richtet zunächst vier Bunker her/ Angeblich für „maximal 4 Wochen“/ Verträge mit Hausmeistern für 6 Monate/ Unterbringung schürt Ausländerfeindlichkeit ■ Aus Bremen Birgit Rambalski
Was das CDU-regierte Bonn im Juni zur „Abschreckung“ mit Roma nächteweise vormachte, verkaufen die Bremer Sozialdemokraten jetzt als Notlösung ihrer verlautbarten „Unterbringungskatastrophe“: Die Einquartierung von Asylsuchenden in Bunkern. Am Dienstag zogen sechs Männer — aus Ghana, Gambia, Algerien und Marokko in die Bundesrepublik geflohen — in die dreistöckigen Etagenbetten in den ersten beiden Bunkern ein. Für heute erwarten die Behörden den ersten größeren Schwung. Mindestens zwei weitere der 20 in Bremen vorhandenen Bunker werden „vorgehalten“. Jeder soll mit höchstens 60 Flüchtlingen belegt werden. Es soll jedoch kein Flüchtling länger als vier Wochen bis zu seiner Unterbringung in anderen Übergangswohnheimen im Bunker leben müssen, betonte die Bremer Sozialsenatorin Sabine Uhl.
Für die beiden ersten Bunker hat die Arbeiterwohlfahrt die Betreuung und Versorgung der AsylbewerberInnen übernommen: Je drei Hausmeister und eine SozialarbeiterIn teilen sich den Dienst rund um die Uhr. „Keine Billiglösung“, so die Sozialsenatorin, denn wegen der besonderen Situation werde hier mit 5,5 Stellen bei 60 Plätzen investiert, während der Personalschlüssel in anderen Übergangswohnheimen bei 2,5:100 liegt.
Die drei Mahlzeiten liefert die AWO-Großküche an. Je zwei Duschen wurden zusätzlich zur bereits vorhandenen Gemeinschaftsdusche installiert. Waschmaschine und Trockner stehen noch unangeschlossen im Eingang — gleich hinter der bombensicheren Eingangstür. In einem Nebengang lagern Riesenpackungen Klopapier. Außerdem: 20 Liter Neutralreiniger, kistenweise Vinylhandschuhe, Putzlappen, Besenstiele.
Vorrat für eine kurzfristige Notlösung? Deshalb auch Verträge mit Hausmeistern und BetreuerInnen, die über ein halbes Jahr laufen und eindeutig ins nächste Frühjahr weisen?
Die Behörden beteuern: Die Bunkerlösung soll spätestens Ende des Jahres wieder überflüssig sein. Dann sollen die im Bau befindlichen Kampa-Häuser für 1.000 AsylbewerberInnen bezugsfertig sein. Als weitere Strategien gegen den Unterbringungsnotstand nennt die Behörde: andere Übergangswohnheime anmieten, Häuser kaufen, Schiffe mieten, Turnhallen bauen — denn allmonatlich kommen 450 Zuwanderer hinzu. Die Sozialsenatorin forderte das Bundesverteidigungsministerium auf, endlich Plätze in der örtlichen Kaserne frei zumachen — bereits im vergangenen Winter waren dort ganz unbürokratisch Aus-und ÜbersiedlerInnen eingezogen.
Von diesen insgesamt 1.193 aufgenommenen ÜbersiedlerInnen hatte die Stadt Bremen 600 aus den Übergangswohnheimen in reguläre Wohnungen weitervermitteln können. Ihnen drohte man lediglich mit den Bunkern. Einige von ihnen haben jetzt einen Job als Betreuer für Asylbewerber in den Bunkern gefunden.
Doch von den insgesamt 6.500 derzeit in Bremen lebenden AsylbewerberInnen konnten nur 3.500 in reguläre Wohnungen umziehen. 300 sind nach Angaben der Wohnungshilfe obdachlos oder bei Freunden untergeschlüpft. Für sie sind die Bunker gedacht.
Die erste Nacht haben nur zwei der sechs einquartierten Afrikaner im Bunker verbracht. Die anderen hatten es offenbar vorgezogen, sich einen anderen Schlafplatz zu organisieren. Ähnliche Erfahrungen hatte im Sommer auch Bonn gemacht. „Bei den Roma, die wir in dem Bunker kurzfristig unterbringen mußten, handelt es sich um eine Gruppe, die unter sich hochgradig organisiert ist. Die meisten verbrachten dort deshalb nur eine Nacht und fanden dann andere Möglichkeiten“, berichtet Bonns Pressesprecher Pohl. NachbarInnen hatten den Einzug der Afrikaner mitleidig beobachtet. Einige hatten im Krieg selbst in dem Bunker gesessen. Eine Frau erinnert sich noch gut, wie ihre Mutter in der schlechten Luft immer umkippte und sie deswegen schließlich vor Angriffen nur in ihrem Keller Schutz suchten. Daß jetzt Flüchtlinge in den fensterlosen Bunker neben einem Sportcenter in bester Bremer Wohngegend gesteckt werden, erschreckt die Bremerin: „Warum kann das Tenniscenter nicht eine von seinen drei Hallen zur Verfügung stellen? Da haben die armen Menschen wenigstens Licht“, schlägt die 63jährige vor. Aber auf seinen Court werde wohl kein Bremer verzichten wollen, zumal sich in der Straße bereits eine Anwohnerinitiative formiere, die die Ausländer noch nicht einmal im Bunker ihres Stadtteils dulden will.
Zu den Auswirkungen auf die Psyche befragt, die ein Wohnen ohne Licht haben kann, zieht der Bremer Psychologe Professor Thomas Leithäuser Parallelen zur Unterbringung im Hochsicherheitstrakt in Stammheim. Selbst wenn sich die Asylsuchenden noch frei bewegen könnten, könnten sich Deprivationsphänomene zeigen. Zu diesen zählen: Kontaktstörungen, Depressionen und steigende Aggressionen. Außerdem seien psychosomatische Störungen üblich. Besondere Beachtung müsse der Situation der Geflüchteten beigemessen werden. Die Unterbringung im Bunker sei nicht mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde zu vereinbaren. Obendrein würden die Asylsuchenden derart stigmatisiert, daß „von vorne herein mit Vorurteilen und Diskriminierungen“ von außen zu rechnen sei. Diese Art der Unterbringung fördere „ohne Zweifel die Ausländerfeinlichkeit.“
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