Flüchtige Kieler Handschrift

■ Das Innenministerium zieht Aussagen, die Barschel–Freund Ahrendsen belasten, zurück / Intensive Personal–Verquickung zwischen Regierungsstellen und dem Rechts–Politologe Kältefleiter

Aus Kiel Jörg Feldner

Eine völlig neue Polizei–Auskunft hat den Barschel–Vertrauten Herwig Ahrendsen, ehemals stellvertretender Regierungssprecher, vom Verdacht der Falschaussage teilweise entlastet. Für einen Telefonanruf bei Pfeiffer am Abend des 8. September aus Barschels Wagen und für die Abfahrt des Konvois vom Springer–Hochhaus in Hamburg hatte Ahrendsen Zeiten genannt, nach denen Barschel selbst keine Gelegenheit gehabt hätte, mit Pfeiffer zu telefonieren. Pfeiffer behauptet, Barschel habe sich zur fraglichen Zeit erkundigt, ob ihm die Beschaffung eines Abhörgerätes gelungen sei. Vorgestern hatte die Polizei mitgeteilt, Barschels Mercedes sei um 20.17 Uhr auf der Autobahn nach Kiel gewesen. Danach hätte Barschhel Zeit und Gelegenheit gehabt, selbst bei Pfeiffer anzurufen. Gestern nun sagte das Innenministerium, Barschels Konvoi habe sich um 20.17 Uhr nicht 45 Kilometer von Kiel entfernt befunden, sondern habe noch 45 Minuten Fahrzeit vor sich gehabt. Die flasche Auskunft vom Donnerstag beruhe auf flüchtiger Handschrift und Ablesefehlern in der Funkkladde der Einsatzleitstelle der Polizei–Inspektion Kiel. Der Mann mit der eiligen Handschrift konnte nicht befragt werden: Er hatte sich krank schreiben lassen. Derweil mehren sich Hinweise auf personelle Verflechtungen zwischen der Regierungspressestelle, dem für die Landesregierung arbeitenden „Medienbüro Meschke“ und dem Institut des Wahlforschers und CDU–Politologen Prof. Werner Kaltefleiter. Das „Medienbüro Meschke“, das für die Kieler Landesregierung die Hörfunk– und Fernsehberichterstattung auswertet, hat nicht einmal ein Telefon. Aber für jeden der 20 bis 25 Berichte pro Monat, deren zensierende Bemerkungen einzelne JournalistInnen in Mißkredit brachten, bekommt eine „Diplom–Volkswirtin Green– Meschke“ 190 Mark. Seit August 1980 fließt dieses Geld aus dem Reptilienfonds des Ministerpräsident. Sylvia Green– Meschke wollte nicht dementieren, daß sie vom CDU–Politologen Prof. Werner Kaltefleiter ausgebildet wurde. Dr. Ulrike Schumacher, seit Barschels Rücktritt Referentin in der Regierungspressestelle, hat ausdrücklich bestätigt, daß sie immer noch für Kaltefleiter arbeitet. Noch heute ist sie die Stellvertreterin des kalten Kriegers in dessen Rolle als Direktor des „Instituts für Sicherheitspolitik“ an der Kieler Universität. Zwar ist sie seit Januar 1986 Regierungsbeamtin, aber Lehraufträge und Forschungsarbeiten über die Politik der Sowjetunion und den Streit der Supermächte hat sie immer noch nebenbei erledigen können, das habe man ihr schriftlich genehmigt. Gestern morgen wurde in der wöchentlichen Landespressekonferenz gefragt, worin eigentlich ihre Tätigkeit bestehe. Die Frage blieb unbeantwortet. Gleichzeitig bat man den Regierungssprecher, er solle Ulrike Schumacher auffordern, „sich Journalisten gegenüber ordentlich zu betragen“. Sie hatte Barschels Rücktrittserklärung einem Kollegen überreicht mit der hämischen Schuldzuweisung „Herzlichen Glückwunsch!“.