piwik no script img

■ Überraschende Folgen einer harmlosen Fahrscheinkontrolle im AllgäuFlucht mit dem Zug

Oberstdorf/Kempten (taz) – Ein ausgesprochen turbulenter Vorfall führte auf der Bahnstrecke zwischen Oberstdorf und Immenstadt zu einer Flucht. Ein Zugführer sah keine andere Möglichkeit mehr, sich den körperlichen Attacken eines wildgewordenen Passagiers zu entziehen, als diesen aus dem Zug zu locken, selbst wieder einzusteigen und in rasender Fahrt mit dem Zug zu flüchten.

Ohne Vorwarnung war der Passagier, der als „Reisender südlichen Typs“ bezeichnet wird, auf den Zugbegleiter losgegangen, als dieser lediglich die Fahrkarte kontrollieren wollte. Der wütende Reisende schlug um sich, es setzte Tritte und Hiebe für den Schaffner, der schließlich am Haltepunkt Langenwang aus dem Waggon flüchten konnte.

Doch der bislang unbekannte Täter rannte ihm hinterher und verfolgte den Bahnmann über den Bahnsteig. Dieser, so Christian Huber vom Grenzschutz in Kempten, wußte sich nicht mehr anders zu helfen, als zurückzuspringen in den Zug, die Türen rasch mit einem Vierkantschlüssel zu verschließen und dem Lokführer das Zeichen zur Abfahrt zu geben.

Dieser wiederum hatte von dem Zwischenfall gar nichts mitbekommen und gab Gas, nachdem er das ZB-9-Signal – das sogenannte Freigabesignal – bekommen hatte, und fuhr durch bis zum nächsten Halt in Fischen, wo die knapp 30 Mitreisenden aussteigen konnten.

Vor der Abfahrt aus Langenwang versuchte der rasende Wüterich noch, auf den abfahrenden Zug mit dem flüchtenden Zugbegleiter aufzuspringen, was ihm jedoch mißlang. Er spuckte noch wutentbrannt gegen die Scheiben und ward von da an nicht mehr gesehen. Der Grenzschutz in Kempten sucht dringend Zeugen des Vorfalls. Von den Passagieren, fast ausschließlich Touristen aus ganz Deutschland, hatte keiner dem Schaffner geholfen.

Dieser mußte sich nach den Angriffen in ärztliche Behandlung begeben. Der Mann trug eine ganze Reihe von Blessuren davon bzw. „deutliche Spuren von Gewalteinwirkung“, so die Grenzschutzinspektion. Die Verletzungen und ein Schock waren wohl auch der Grund dafür, daß der Schaffner nicht die Polizei informiert hatte, obwohl ein Telefon im Zug war.

Inzwischen gibt es einen vagen Hinweis auf den möglichen Täter. Heute (Mittwoch) soll es in Kempten zu einer Gegenüberstellung kommen. Klaus Wittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen