Koalitionsvertrag in Österreich: Einfach wird es nicht
Die Dreierkoalition in Österreich hat sich auf einen gemeinsamen Vertrag geeinigt. Ein großer Wurf ist es nicht, Streitigkeiten sind vorprogrammiert.

E s gibt eine neue Regierung in Österreich – und das ohne die rechtsradikale FPÖ. Das sind gute Nachrichten. Leicht wird es für die Koalition aus Konservativen (ÖVP), Sozialdemokraten (SPÖ) und liberalen Neos trotzdem nicht. Die Parteien liegen inhaltlich bei vielen Fragen auseinander, daran waren die Verhandlungen im ersten Anlauf gescheitert. Die Herausforderungen sind enorm, merkte Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Vereidigung an.
Die neue Regierung verfolgt augenscheinlich einen ähnlichen Ansatz wie zuletzt das schwarz-grüne Bündnis: Jede Partei erhält einen abgesteckten Bereich, in dem sie relativ frei agieren kann. So behält die ÖVP ihre Steckenpferde Innenministerium, Landwirtschaft, Verteidigung und die SPÖ unter anderem das Sozial- sowie das gewichtige Finanzministerium. Auch die Neos konnten ihre Kernthemen besetzen: Außenpolitik und Bildung.
Die geplanten Vorhaben sind genau austariert. Große Würfe sind nicht dabei, aber jede Partei kann ihre Klientel bedienen. Etwa Änderungen im Rentensystem (Neos), eine höhere Bankenabgabe (SPÖ), Verschärfungen bei der Migration (ÖVP). Die ersten Streitigkeiten werden indes nicht lange auf sich warten lassen. Zwar wollen sich alle Parteien „stärker in Europa einbringen“. Was heißt das aber genau? An dieser Stelle muss über den sinnbildlichen Elefanten im Raum gesprochen werden: die Neutralität. Sie ist eine Lebenslüge Österreichs und nicht mehr zeitgemäß. Für Sicherheit hat sie, anders als behauptet, ohnehin nie gesorgt.
Auch Migration und Integration dürften Streitpunkte sein. Die ÖVP hat sich hier der FPÖ angenähert, will am liebsten gar keine Zuwanderung mehr und Unterstützungsgelder streichen. SPÖ und Neos sehen das anders. Und natürlich die soziale Frage. Die Sozialdemokraten, unter Andreas Babler dezidiert links, forderten Vermögens- und Erbschaftssteuern, konnten sich aber nicht durchsetzen. Doch die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Wohl an diesen Fragen wird sich zeigen, ob die Regierung hält. Oder kracht wie die deutsche Ampel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!