Flora-Demonstranten mit Nazi-Sturmtrupps verglichen: Autonome wie Hitlers Schergen
Grüner Bezirksabgeordneter vergleicht gewalttätige Flora-Demonstranten mit „marodierenden SA-Horden“, rudert nach fünf Tagen aber schließlich zurück.
HAMBURG taz | Die Aufarbeitung läuft. In zahlreichen Internet-Blogs tobt der Streit über die Rolle der gewalttätigen Demonstranten, aber auch der polizeilichen Einsatzkräfte bei der Eskalation der Demonstration für den Erhalt der Roten Flora am vorigen Wochenende. Im Laufe der Auseinandersetzungen waren laut Innenbehörde 120 Polizisten und nach Angaben der Veranstalter rund 500 Demonstranten verletzt worden. Für einen Eklat sorgte dabei der grüne Politiker Christian Trede. Er verglich auf der Facebook-Seite der Initiative Esso-Häuser die gewalttätigen Demonstranten mit Hitlers Sturmtrupp, der SA.
In seinen Einträgen wendet sich Trede, der als Altonaer Bezirksabgeordneter aktiv ist und als Referent des Bürgerschaftsabgeordneten Olaf Duge arbeitet, gegen die „Relativierungsakrobatik“ derjenigen, die der Polizei eine Mitschuld an der Eskalation einräumen. Wer so agiere wie ein Teil der Flora-Demonstranten, schreibt Trede, „benimmt sich nicht besser als marodierende SA-Horden“. Denn eines sei klar, rechtfertigt Trede seine Gleichsetzung von militanten Demonstranten und der paramilitärischen Organisation des Nazi-Regimes: „Terror ist Terror – egal von rechts oder links.“
Tredes Nazi-Verharmlosung löste zuerst auf Facebook Entsetzen aus. Mehrere User bezeichnen den SA-Vergleich als „maßlos“, „völlig unangebracht“, „fahrlässig“ oder einfach als „Frechheit“. Die Kampagne „Mietenwahnsinn stoppen“ forderte von Trede „eine Richtigstellung“. Der SA-Vergleich und die Links-Rechts-Gleichsetzung „disqualifiziere“ seinen Urheber und ermögliche mit ihm „aus unserer Sicht keine weitere Diskussion“.
Die Sturmabteilung (SA) war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP und spielte als Ordnertruppe eine zentrale Rolle beim Aufstieg der Nationalsozialisten, indem sie deren Versammlungen mit Gewalt abschirmte.
Antikommunistische und antisemitische Umzüge und Gewaltakte waren das Markenzeichen der SA.
1932 hatte die SA 220.000 eingetragene Mitglieder. Im Vorfeld der Reichstagswahl 1932 gab es bürgerkriegsähnliche Zustände mit insgesamt etwa 300 Toten und über 1.100 Verletzten, an denen die SA maßgeblich beteiligt war.
Einer der schrecklichen Höhepunkte war der Altonaer Blutsonntag am 17. Juli 1932, als unter Führung der SA 7.000 Nazis durch Altona marschierten und es zu Schießereien zwischen Nazis, Polizei und Anwohnern kam, in deren Verlauf 18 Menschen starben.
Schockiert zeigt sich auch die Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, Heike Sudmann: „Nicht jede Aktion auf der Demo muss mensch gut finden oder verteidigen, doch jeglicher Vergleich mit Nazi-Terror und SA-Horden ist unmöglich. Als Altonaer Bezirksabgeordneter sollte Trede sich mal die Geschichte des Altonaer Blutsonntag mit SA-Morden ansehen, um nie wieder so einen üblen Vergleich zu ziehen.“
Das sieht wohl auch Trede inzwischen so. „Unter dem Eindruck der Krawalle vom Wochenende habe ich mich zu einem historisch unangemessenen Vergleich hinreißen lassen“, bedauert der grüne Abgeordnete nun gegenüber der taz: „Diesen Vergleich nehme ich zurück.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste