■ Normalzeit: Flittchenforschung
Pepe hat noch einen Zwillingsbruder in Freiburg. Beide machen Filme. Pepes letzten sah ich neulich zufällig im Kurzzeit-Vergnügungspark der UFA-Fabrik am Brandenburger Tor: Ein schwarzer HipHopper mit Base- Cap steigt am Hackeschen Markt in eine Straßenbahn und setzt sich neben eine ältere Frau, die ihn daraufhin mit ausländerfeindlichen Sprüchen traktiert. Als ein Kontrolleur einsteigt, zückt die Dame ihre Fahrkarte, die der junge Mann ihr aber sofort aus der Hand reißt und aufißt. Er selbst zeigt dem Kontrolletti seine Monatskarte vor.
Die Frau muß aussteigen. Ihre Proteste bewirken nur mäßiges Erstaunen bei den anderen Fahrgästen. Und der Kontrolleur hält ihre Erklärung, der Mann habe den Fahrschein aufgefressen, für eine „idiotische Ausrede“.
Jetzt traf ich Pepe bei einer Ausstellungseröffnung der A&T- Galerie in der Wallstraße wieder. Sie gehört Tatjana, einer Philosophin aus Odessa mit drei Kindern, die sich schon überall, einschließlich Wladiwostok und Sibirien, rumgetrieben hat – als Projektemacherin.
Pepes neuestes „Filmprojekt“ dreht sich irgendwie um die abartigen Leidenschaften, SM und ähnliches, eines Normalbürgers. Da ich genaugenommen entgegengesetzt gepolt bin, konnte ich ihm dazu nicht viel erzählen. Deswegen kamen wir auf die Idee einer kleinen Pufftour (es gibt über 600 Bordelle in der Stadt). Er hatte ein Auto dabei.
Als erstes fuhren wir in die „Alibi-Bar“ am Senefelderplatz, wo er mit einer Dresdnerin ins Gespräch kam – für den Preis eines Piccolo-Sekts. Ich unterhielt mich kurz mit einem „Mädchen vom Land“ (aus einem Dorf in der Nähe von Uelzen): Sie hatte alle Freier, die auf dicke Titten standen, aus dem „Club Madame“, auf der anderen Seite des Platzes, abgezogen, nachdem „die Tschechin“ dort aufgehört hatte.
Vom Gespräch der beiden anderen bekam ich nur einen Satz Pepes mit: „Aber irgendeinen Traum mußt du doch auch haben.“ Die Dresdnerin hörte sofort auf zu reden, wenn die Musik ausging, auch wirkte sie gehetzt und nervös, jedenfalls auf keinen Fall entspannt.
Das war in der Weddinger „Chiang-Mai-Bar“ dann ganz anders, wo die fünf oder sechs Thai- Mädchen sich furchtbar langweilten. Obwohl die eine, Kham, sogar regelrechten Deutsch-Unterricht nimmt, und das nicht erst seit gestern, war dort jedoch die Verständigung schwierig. Eigentlich unterhielten wir uns nur über die Preise von irgendwelchen Anschaffungen und brachen deswegen auch bald wieder auf.
Ich gab Pepe zum Schluß noch die Telefonnummern von zwei Frauen, die mal in unserem Betriebsräte-Info Ostwind („Arbeitsplätze für alle“) annonciert hatten: „Nette Modelle besuchen Sie – auch am Arbeitsplatz!“ Die eine, Jeanine, ist eine ehemalige Sicherheitsinspektorin aus dem Prenzlauer Berg, die 1983 im Kofferraum eines PKWs über Helmstedt aus der DDR geflüchtet war und jetzt in einem Schöneberger Puff arbeitet. Sie spart Geld für ein eigenes Domina-Studio: „Dies übliche Fickgeschäft ist nicht mein Ding.“
Die andere, Sylvia, arbeitet zu Hause in Gatow. Dort hatte sie früher ein Domina-Studio im Keller, das sie einer Gaskammer nachgestaltet hatte. Sylvia kehrte Ende des letzten Jahres wieder zum normalen Haus- und Hof- Besuche-Geschäft zurück (und bedient jetzt insbesondere das Umland): „Diese ganze Sado- Maso-Scheiße war mir auf die Dauer zu anstrengend.“ Helmut Höge
Wird fortgesetzt
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