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■ QUERBILDFlirting With Disaster

Das Thema Adoption wird im Kino in den kommenden Wochen ein stabiles Zwischenhoch erleben. Woody Allen sucht ab Mitte August in seinem neuen Film Geliebte Aphrodite nach der Mutter des von ihm adoptierten Kindes. Der britische Regisseur Mike Leigh läßt in seinem mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichneten Film Lügen und Geheimnisse eine Schwarze ihre leibliche Mutter in der weißen Londoner Unterklasse finden. Und auch Flirting With Disaster handelt von einer Suche nach den leiblichen Eltern. Allerdings von einer, in der die Hauptfigur mehr findet, als es ihr zuvor in den Sinn gekommen wäre.

Erst ist es ein Computerfehler, dann ein Mißverständnis. Jedenfalls erlebt Mel, ein von Ben Stiller gespielter, gerade selbst Vater gewordener thirty-something, unerwartete Probleme bei seiner Elternsuche. Kaum meint er, sie gefunden zu haben, stellt sich heraus: Sie sind es doch nicht. Und so wähnt er sich nacheinander als Sproß des jüdischen Mittelstands von New York, einer High-Society-Familie in Kalifornien, proletarisch geprägter Erzeuger in Detroit und – schließlich und endlich – eines drogenmischenden Althippiepaares in New Mexico. Daß es dabei einerseits zu ein paar ordentlich haarsträubenden und komödiantischen Szenen kommt und andererseits ständig in allen möglichen Tonlagen von gelinder Verzweiflung bis zur gesteigerten Verwirrung geredet wird, versteht sich.

Natürlich geht es in Flirting With Disaster um ein Spiel mit Identitäten. Wer bin ich? Wo komme ich her? Und wie wichtig ist das überhaupt? Das sind die großen Fragen, die diese hübsche, kleine Komödie stellt. Schließlich durchläuft Mel auf seiner Suche in kurzer Zeit eine ganze Menge Lebensentwürfe. Regisseur David O. Russell nutzt das, um in dieser Independent-Produktion die Möglichkeiten zum Tanzen zu bringen.

Zusammen mit Mel ist seine Kleinfamilie unterwegs, Kind und Ehefrau, letztere gespielt von Patricia Arquette. Auch wenn das jetzt ein bißchen dick klingt: Wie der Film die sexuellen und anderen Schwierigkeiten eines jungen Paares nach der Geburt des ersten Kindes schildert, hat etwas von Lebensweisheit. Außerdem mit bei der elternsuchenden Truppe: eine attraktive Adoptionsbeamtin, was natürlich zu emotionalen Verwirrungen führt, und ein schwules Polizistenpaar, von dem der eine – um das Maß vollzumachen – sich auch noch als besserer Vater zu entpuppen droht.

Nichts ist sicher in diesem Film. Gefühle nicht, Abstammungsverhältnisse nicht, Rollenmuster nicht, und schon gar nicht sind es Lebensentwürfe. Es ist nicht so, daß der Film sich darüber lustig macht. Er zeigt nur, daß alles immer auch anders kommen könnte. Und das ist fast schon subversiv zu nennen.

Dirk Knipphals

Abaton, Neues Cinema, Oase, Zeise

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