: Flirt mit den Islamisten
■ Türkische Mutterlandspartei schließt Koalition mit Wohlfahrtspartei nicht aus
Ankara (dpa/taz) – Der Chef der nationalliberalen türkischen Mutterlandspartei (Anap), Mesut Yilmaz, hat gestern in Ankara erstmals seine Bereitschaft erkennen lassen, mit der islamistischen Wohlfahrtspartei (RP) von Necmettin Erbakan eine Koalition einzugehen. Er legte ein Modell vor, nach dem die 53. Regierung der Türkei von einem Bündnis zwischen seiner Anap mit der RP sowie der Demokratischen Linkspartei (DSP) von Bülent Ecevit gebildet werden könnte.
Voraussetzung für den Einschluß der RP bleibe aber, daß die Partei sich „für die Verleumdungen“ gegen ihn entschuldige, sagte Yilmaz. RP-Politiker hatten Yilmaz als „Freimaurer“ und als „Vertreter der Abergläubigen“ bezeichnet. RP-Sprecher hatten sich zwar von diesen Äußerungen distanziert, eine Entschuldigung aber abgelehnt.
Alternativ zum ersten Modell ist laut Yilmaz auch ein Bündnis zwischen der Anap, der RP und der von der bisherigen Ministerpräsidentin Tansu Çiller geführten konservativen Partei des richtigen Weges (DYP) denkbar. Yilmaz schloß auch ein Bündnis ohne seine Anap zwischen der DYP, der RP und der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP) von Deniz Baykal nicht aus. Als „realistischste Lösung“ bezeichnete er aber die Bildung einer Koalition zwischen der Anap, der DYP und der DSP. Yilmaz und Çiller stehen sich politisch sehr nahe, sind aber persönlich zutiefst verfeindet.
DSP-Chef Ecevit sowie Sprecher der DYP schlossen gestern eine Koalition mit der RP erneut kategorisch aus.
Bei den Wahlen vom Heiligabend eroberte Erbakans Partei 158 der 550 Sitze in der Nationalversammlung. Die zweitstärkste Fraktion bildet Çillers DYP mit 135 und die drittstärkste die Anap mit 132 Mandaten. Die DSP zog mit 76 und die CHP mit 49 Abgeordneten ins neue Parlament ein, das sich am Montag konstituieren wird.
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