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Fliegen im Internet

Wer frischen Wind hereinlassen will und das Fenster öffnet, der muss auch mit Fliegen rechnen. Diese alte Weisheit stammt aus China. Hier versuchen inzwischen ganze Heerscharen von Politikern, Polizisten und Programmierern, ihre Landsleute mit engmaschigen Fliegengittern vor unerwünschten Einflüssen zu schützen. Wozu auch die Informationen gehören, die per Internet ins Land dringen.

Da ein eigener Computer für die meisten Chinesen noch ein ferner Traum bleibt, ist das Internetcafé für viele ein Tor zur Welt geworden. Rund hunderttausend Wang Ba – wörtlich übersetzt: „Netzbars“ – gibt es heute, von mondänen Etablissements mit Jazzmusik im Hintergrund und Cocktail neben der Tastatur bis zum kahlen Raum mit Neonlicht und Resopaltischen, an denen StudentInnen und Geschäftsleute dicht an dicht vor ihren Monitoren sitzen, für ein paar Yuan die halbe Stunde. Die PCs stammen aus Chinas größter Computerfirma „Legend“ oder einer der unzählichen Hinterhofwerkstätten. Selbst in entlegenen Nestern lockt das „Wang Ba“-Schild in kleine Stuben mit Rechner und Modem.

Immer mehr Kunden nutzen das Netz inzwischen für ihre Geschäfte, allerdings sind es noch weit weniger als in Europa oder gar in den USA. Höchstens ein Prozent des Handels werden in China übers Internet abgewickelt. Zumeist fehlen die Voraussetzungen: Die wenigsten Chinesen haben eine Kreditkarte, Banküberweisungen sind schwierig, es mangelt an Computerfachleuten, und die Gesetze und Vorschriften sind unklar.

Noch ist das Internet vor allem schnelle Post und Informationsquelle. Über ausländische und chinesische Websites, Onlineforen und E-Mail-Listen verbreiten sich Nachrichten blitzschnell, auch wenn sie der Regierung nicht genehm sind und die Zeitungen sie deshalb unterdrücken. Das gilt nicht nur für Meldungen aus dem Ausland, sondern auch für innerchinesische Ereignisse. Wenn die Behörden missliebige Websites sperren – wie die von BBC und CNN –, gelingt es findigen Surfern immer wieder, die Blockaden der Zensoren zu überwinden.

Der Druck auf Internetprovider und Besitzer von „Netzbars“ wächst jedoch. Mit stets neuen Kampagnen versucht die Regierung, gegen vermeintlich subversive oder pornografische Websites vorzugehen. In den letzten neun Monaten des vergangenen Jahres mussten 17.000 Internetcafés schließen. Ihre Betreiber hatten es versäumt, vorgeschriebene Sperren einzubauen und die Namen ihrer Kunden zu registrieren.

Seit Anfang dieses Jahres gelten noch schärfere Vorschriften. Sie machen die Betreiber von Internetportalen, Websites und „Netzbars“ noch stärker für die Kontrolle der Inhalte verantwortlich. Die Provider müssen neue Sicherheitsprogramme, so genannte „Feuermauern“, installieren, die auf Reizworte in E-Mails und Websites reagieren.

Wer in einem Onlineforum heikle Themen diskutiert, die KP angreift, „bösartige Kulte“ wie Falun Gong oder die Unabhängigkeit Tibets propagiert, muss wissen, dass sein Name vom Provider gleich an drei Behörden weitergegeben werden kann: an das Ministerium für Information und Technologie, das Amt für öffentliche Sicherheit und das Büro für den Schutz von Staatsgeheimnissen. In den letzten Jahren gab es Dutzende Verhaftungen. Nach Berichten von Bürgerrechtlern wurde Ende Dezember der 29-jährige Lu Xinhua zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er Präsident Jiang Zemin angegriffen hatte.

JUTTA LIETSCH

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