"Flexibler" Stabilitätspakt: Das Euroland und die Krise
Frankreich und Deutschland geloben Besserung bei der Einhaltung des Stabilitätspaktes. Unklar ist, wie mit EU-Ländern umgegangen wird, denen Zahlungsunfähigkeit droht.
BRÜSSEL taz Die Finanzminister der Eurozone sind derzeit nicht um ihren Job zu beneiden. Sie sollen großzügig ihre Säckel aufschnüren, damit der Geldfluss nicht unterbrochen wird und der Wirtschaftskreislauf in Gang bleibt. Gleichzeitig sollen sie unverändert die strengen Regeln des Stabilitätspakts beachten. "Der Pakt bleibt zentral für die Überwachung der Budgets in der EU", bekräftigte Währungskommissar Joaquín Almunia bei einer Konferenz Mitte der Woche in Brüssel. "Defizitverfahren werden eröffnet, wenn die Neuverschuldung 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes übersteigt." Der Pakt werde aber angesichts der Krise "flexibel" gehandhabt.
Dennoch hat die Kommission bereits für sechs Euroländer ein Defizitverfahren eröffnet, unter anderem für Spanien und Frankreich. Auch Deutschland wird wohl im kommenden Jahr die kritische Schwelle von 3 Prozent überschreiten und einen Rüffel aus Brüssel kassieren. Glaubt man dem offenen Brief, den Frankreich und Deutschland für den heute beginnenden Finanzgipfel verfasst haben, dann sind sie einsichtige Sünder: "Gesunde öffentliche Finanzen bleiben für die Glaubwürdigkeit und Stabilität der Europäischen Union von zentraler Bedeutung. Wir müssen uns verpflichten, die öffentlichen Finanzen durch Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu konsolidieren", heißt es dort.
Was aber, wenn die Euroländer in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung immer stärker auseinanderdriften? Wenn einige sich stabilisieren, aber andere, wie Griechenland oder Irland, auf den Staatsbankrott zutreiben? Schon jetzt zahlen als stabil geltende Länder wie Deutschland deutlich niedrigere Zinsen für Staatsanleihen als Länder, die zahlungsunfähig werden könnten. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, der auch die Gruppe der Euroländer leitet, hat deshalb Eurobonds ins Gespräch gebracht, durch die das Risiko in der Eurozone gleichmäßig verteilt würde. Auch die EU-Kommission befürwortet solche Anleihen.
Länder wie Deutschland, die im Notfall die Schulden von zahlungsunfähigen Nachbarn übernehmen müssten, sind strikt gegen die Eurobonds. Immerhin schließt die Bundesregierung europäische Finanzspritzen für Länder der Eurozone nicht mehr aus. Auch Währungskommissar Almunia denkt seit einigen Tagen öffentlich über diese Möglichkeit nach. "Wenn eine solche Krise in einem Euro-Staat auftritt, gibt es dafür eine Lösung, bevor dieses Land beim Internationalen Währungsfonds um Hilfe bitten muss", sagte Almunia in Brüssel.
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