: Fleisch soll keine Ländersache bleiben
Bislang hatten die Länder eher wenig Interesse an bundesweit einheitlichen Standards zur Kontrolle von Lebensmitteln. Nun aber will der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf mit seinem Kontrahenten Horst Seehofer zumindest reden
VON TARIK AHMIA
Der Streit über die Verantwortung im bayerischen Fleischskandal geht in die nächste Runde. Im Vorfeld des morgigen Sondertreffens der Verbraucherschutzminister bemühte sich Agrarminister Horst Seehofer (CSU) gestern, Ruhe in die Debatte um verdorbenes Fleisch zu bringen. Via Bild-Zeitung verkündete der Minister: „Wer schlechtes Fleisch in den Umlauf bringt, soll öffentlich genannt werden.“ Ausgerechnet das neue Verbraucherinformationsgesetz (VIG) soll dies nach dem Willen des CSU-Politikers bewirken. Ein frommer Wunsch, mit dem er die Zahnlosigkeit des neuen Gesetzes für eine bessere Verbraucherinformation unterschlägt.
Kritik ließ dann auch nicht lange auf sich warten: „Das ist eine Lüge“, kommentierte Thilo Bode von Foodwatch die Beteuerungen des Ministers. Wie die taz gestern berichtete, weist das neue Gesetz Lücken auf, mit deren Hilfe die Nennung des Namens verdächtigter Firmen verhindert werden kann. Dieser Missstand kann aber nur durch eine Änderung des Gesetzentwurfes zum VIG beseitigt werden, der am 22. September im Bundesrat verhandelt wird. Doch davon könne „derzeit nicht die Rede sein“, bestätigte der taz gestern eine Sprecherin Seehofers.
Weiter gespannt ist auch das Verhältnis von Seehofer zu seinen Landeskollegen. Der Bundesminister fordert von den Ländern bundesweit einheitliche Kontrollen, um zukünftige Fleischskandale zu verhindern. Postwendend kam von Parteifreund Werner Schnappauf gestern Widerspruch. „Wir müssen darauf achten, dass dadurch kein Mehraufwand an Bürokratie geschaffen wird“, sagte der bayerische Verbraucherminister zu der Forderung. Er äußerte aber Bereitschaft, gemeinsam mit dem Bund an einer Lösung zu arbeiten.
Bislang ist die Kontrolle von Lebensmitteln Ländersache. Sie wollen ihre Systeme zur Lebensüberwachung keiner Bundesaufsicht unterordnen. Die Qualität der jeweiligen Lebensmittelüberwachung ist in Deutschland sehr unterschiedlich. „In 16 Bundesländern gibt es 16 unterschiedliche Wege zum Erfolg“, sagte Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure, der taz. Je nach Bundesland müssten die insgesamt 2.500 Lebensmittelkontrolleure zwischen 300 und 1.000 Betriebe überprüfen. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hätten einen besonders schlechten Personalschlüssel. „Ein bundesweit einheitliches Vorgehen würde die Ergebnisse verbessern“, sagt Martin Müller. Allerdings sollten diese Regeln im Konsens mit den Bundesländern vereinbart werden. Doch die wehren sich gegen gemeinsame Standards, weil sie höhere Personalkosten fürchten.
Auch der jüngste bayerische Skandal ist nicht das Ergebnis gründlicher Lebensmittelkontrollen. Wie gestern bekannt wurde, fand ein Pilzsucher am 26. August an einem Waldweg einen Koffer mit belastenden Unterlagen. Erst nachdem dieser der Polizei übergeben worden war, sei es zu der Razzia bei dem Unternehmen gekommen.