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Flaute

 ■  McCASH FLOWS ORAKEL

Die Auguren lagen wieder einmal falsch: während deutsche Aktien zum Jahresbeginn allenthalben zu den Top-Favoriten zählten, gab man sich bei amerikanischen Aktien angesichts schleppender Konjunktur und verlangsamten Wachstums äußerst zurückhaltend. Auf Wallstreet wollte niemand auch nur einen Blumentopf wetten, während man in den Aktien aus Frankfurt wg. „Ostphantasie“ regelrechte Kursraketen sah. Doch weit gefehlt, bis zur Jahresmitte lief es auf dem internationalen Börsenparkett genau andersherum: in New York kletterte der Dow-Jones-Index kräftig nach oben und erreichte Anfang Juni neue historische Rekordmarken, in Frankfurt hingegen schmolzen die in der ersten Deutschland-Euphorie erzielten Index-Stände langsam aber sicher dahin - die potentiellen Kursraketen offenbarten sich als Blindgänger, mit denen seit Jahresbeginn nicht nur kein Gewinn, sondern sogar Kursverluste eingefahren wurden. Für viele der deutschen Papiere, wie etwa die Aktien der Großchemie, die Anfang des Jahres auf den Favoritenlisten der Börsendienste standen, brachten vor allem die letzten sechs Wochen herbe Einbußen von mehr als zehn Prozent. Begründet wird die Flaute auf dem bundesdeutschen Parkett natürlich mit den Imponderabilien der Währungsunion - doch sollte niemand darauf setzten, daß es am 3. Juli dann wieder aufwärts geht. Zuerst waren es die Wahlen im März, auf die man wartete, dann die Konstitution der neuen Regierung, dann die Regelungen betreffs Privateigentum und Gewinntransfer - an bevorstehenden Ereignissen, derentwegen man in Abwartestellung ging, war kein Mangel. Und wird auch nach der Währungsunion keiner sein. Geht die Flaute weiter, dann ist es eben wieder eine neue Schlange, vor der die Börsen-Kaninchen zittern, etwa der Termin der ersten gesamtdeutschen Wahl, auf deren unwägbaren Ausgang man erst mal wartet, bevor man sich wieder in Aktien kräftig engagiert.

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