Flatrate für Sportangebote: Heute Yoga, morgen Golf
Der Berliner Urban Sports Club macht es möglich, deutschlandweit über 50 Sportarten zu einem Festpreis zu betreiben. Was bedeutet das für den Sport?
Fragt man Kreppel, ob ihre Idee vor zwanzig Jahren funktioniert hätte, sagt er: Nein, wahrscheinlich nicht. Weil die Technik noch nicht so weit war, weil noch niemand an Apps oder Firmensport dachte. Und weil die Idee einen Zeitgeist trifft. „Das Leben ist hektischer geworden“, sagt er. „Man möchte flexibler sein, sich weniger festlegen, mehr Vielfalt.“
Heute residiert der Urban Sports Club (USC), gegründet 2013, in frisch bezogenen Räumen in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die Zentrale ist ein Wimmelbild eines Start-up-Klischees, mit Tischtennisplatte und Snack-Raum, junger Crew, ironischen Postkarten und hektischen Konferenzen. Und in einem stillen Raum sitzt Moritz Kreppel, passionierter Hobbysportler, einer, der glaubwürdig klingt, wenn er sagt: „Das hier ist mein Traumjob.“
Für 29 Euro können Mitglieder des USC einmal die Woche zu einem Sport ihrer Wahl gehen; 59 Euro kostet es, unbegrenzt oft fast überallhin zu gehen. Sie schließen einen Vertrag mit dem USC, und der USC kooperiert mit Sportanbietern, die einen Teil der Beiträge bekommen.
Expansion des Anbieters
Ökonomisch ist das eigentlich unsinnig: Eine Mitgliedschaft in einem Sportverein kostet durchschnittlich 12 bis 17 Euro; statt der 59-Euro-Flat wären also locker vier Vereinsmitgliedschaften parallel drin. Aber Flexibilität und die Chance zum Probieren zieht Menschen an. Die Kernklientel der Kunden sei zwischen 25 und 40 Jahre alt, erklärt Kreppel. „Meist testen die Leute viel und finden dann ein bis drei Sportarten, bei denen sie bleiben.“
Die Berliner haben bereits fast alle innerdeutschen Konkurrenzmodelle mit ähnlicher Idee geschluckt, auch mithilfe millionenschwerer Investoren wie etwa Holtzbrinck Ventures, die auch in Zalando und Flixbus investierten.
Moritz Kreppel, Mitbegründer des Urban Sports Club
Aktuell kooperiert man nach eigenen Angaben mit über 2.000 Standorten aus über 50 Sportarten, Yoga-Studios, Kampfsportzentren, auch Vereinen wie den Reinickendorfer Füchsen. Seit Kurzem gibt es den USC sogar in Paris, mehr Ausland soll folgen, halb Berlin haben sie bereits, 593 Standorte. Was macht das mit dem Sport?
Das Fenriz Trainingszentrum für Kampfsport liegt in Berlin-Kreuzberg. Es ist eine schicke Halle mit roten und grauen Matten, und der Kurs auf Englisch in Brazilian Jiu Jitsu (BJJ) ist auch morgens gut besucht, den Kreuzberger Expats sei Dank. Ulf Fritzmann, Mitgründer von Fenriz, sitzt am Rand und sagt: „Wir sind sehr zufrieden.“
Mannschaftssport im Nachteil
Bescheiden ging die Kooperation Anfang 2016 los, dann sei die Zahl der zusätzlichen Teilnehmer durch den USC rapide gestiegen. Mittlerweile seien es etwa fünfmal so viele Sportler wie am Anfang, mehrere hundert Besuche im Monat. Fenriz ist glücklich: Der USC nimmt ihnen teilweise Werbung ab, spült neue Sportler an. Besonders populär unter ihnen ist das reine Fitnessangebot mit 50 Prozent, 30 Prozent wollen zu BJJ, 20 Prozent zu Mixed Martial Arts und Muay Thai. Finanziell funktioniert das Konzept, solange die Neuen nicht überhandnehmen und Vollzahler verdrängen.
Der USC schafft Sportarten neue Möglichkeiten, sich zu präsentieren. Es kommen Neugierige, die sonst nicht gekommen wären, und oft bleiben sie. Manchmal steigen sie sogar um. „Wenn sich jemand ernster für Kampfsport interessiert, wird er bei uns Mitglied, weil er mehr Training haben will“, sagt Ulf Fritzmann. Eine Symbiose, von der beide Seiten profitieren. Nur eine Gruppe macht sich Sorgen: die der traditionellen Mannschaftssportvereine.
Laut jüngster Studien ist Deutschland der stärkste Fitnessmarkt Europas, mit über 10 Millionen Mitgliedern, und der mit dem größten Wachstum. Ende 2016 waren erstmals die Mehrheit dieser Mitglieder in Fitnessketten organisiert. Sportvereine tun sich mit dieser Zukunft bislang schwer. Mannschaftssport im normalen Ligasystem lässt sich für Akteure wie den Urban Sports Club kaum integrieren. „Wir leben von der Flexibilität“, sagt Moritz Kreppel. Feste Wochenendspiele, Teambuilding, gemeinsame Weiterentwicklung passen nicht ins Konzept.
„Der Landessportbund, die Verbände und Vereine wissen natürlich, dass außerhalb des organisierten Sports viel passiert. Der Urban Sports Club ist ein Beispiel von vielen anderen“, sagt Angela Baufeld, Pressesprecherin beim Landessportbund (LSB). „Die Vereine stellen sich selbstbewusst auf den gesellschaftlichen Wandel ein.“ Kürzlich hat der LSB die Diskussionsreihe „Sport, Vereine, Zukunft: Berlin“ initiiert und selbst gefragt, wie zukunftsfähig das Modell Sportverein noch ist. Von den neuen Anbietern wollen sie lernen: mehr Flexibilität, mehr Trendsport, neue Mitgliedschaftsmodelle. Vielleicht profitieren am Ende alle.
Der Urban Sports Club existiert seit 2013 und wurde in Berlin gegründet. Derzeit hat er nach eigenen Angaben über 2.000 Standorte in über 50 Sportarten, davon 593 Standorte in Berlin. Die günstigste Mitgliedschaft kostet aktuell 29 Euro und berechtigt zu ein Mal Sport pro Woche. Mehr Infos und die Berliner Standorte unter www.urbansportsclub.com.
Der Landessportbund Berlin wurde 1949 gegründet und ist ein Zusammenschluss der Berliner Sportfachverbände, ihrer Unterorganisationen des Amateursports sowie der Bezirkssportbünde. Aktuell sind darin nach eigenen Angaben über 2.400 Vereine mit über 640.000 Mitgliedern organisiert. Die nächste Veranstaltung der Diskussionsreihe „Sport, Vereine, Zukunft: Berlin“ findet im Oktober statt. (asc)
„Durch die große Bedeutung des informellen und auch des kommerziellen Sports muss der Verein nicht zwangsläufig leiden“, bilanzierte bei der Diskussionsreihe des LSB zumindest der Sportwissenschaftler Christoph Breuer. „Wir sehen heute hybride Sportkonsumenten.“ Der Urban Sports Club betont nach außen friedliche Koexistenz. Kreppel sagt: „Wir wollen und werden den Verein nicht ersetzen. Er hat weiter eine klare Klientel: Leute, die eine Sportart intensiv betreiben möchten. Daran wird sich nichts groß ändern.“
Moritz Kreppel freut sich auf die Zukunft. Nur für eins hat er durch den USC irgendwie nur noch wenig Zeit: Sport. Also geht er zum Functional Training in der Nähe des Büros, am Wochenende zum Fitness, ab und zu Schwimmen, ab und zu Yoga. „Es ist nicht einfach“, sagt Moritz Kreppel und lächelt. „Aber ohne den Urban Sports Club wäre es noch viel schwieriger.“
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