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Flamenco muß was für Machos sein

■ Die spanische Gruppe „Radio Tarifa“ spielte auf der 53. Roots Night

Nun geht es also doch weiter mit den Wurzelnächten im Schlachthof. Organisator Jürgen Schmitz und die anderen Betreiber des Kulturzentrums haben sich wieder zusammengerauft, und so wird es in Zukunft wieder regelmäßig Musik aus aller Herren Länder in der Kesselhalle geben. Nichts hat sich geändert – die Sitze sind immer noch unbequem, und Schmitz erklärte uns auch wieder ganz genau vor Konzertbeginn, was wir denn da bald hören würden, und welche zukünftigen „Roots Nights“ wir auf keinen Fall verpaßen dürften.

Und dieser Auftritt war ein guter Start, denn die spanische Gruppe „Radio Tarifa“ paßt ideal in das Konzept der wiederbelebten Konzertreihe: sie bot Musik, die man sonst kaum in Bremen zu hören bekommen hätte – eingebettet in die Kultur ihrer Heimat, aber nicht puristisch. Musik, zu der auch der unvorbereitete Hörer einen Zugang bekommt – nicht zu kommerziell, aber auch nicht so akademisch, daß nur die Spezialisten etwas damit anfangen könnten.

„Radio Tarifa“, das sind acht Musiker (aus Spanien, Frankreich, Argentinien und dem Sudan), die aus den verschiedensten musikalischen Stilrichtungen des Mittelmeeres gut gewürzte Eintöpfe zusammenkochen. Hauptbestandteil ist immer der Flamenco – schon alleine deshalb, weil der Sänger und Leiter der Band Vincent Molino jedes Lied mit einem leidenschaftlichen Timbre anstimmt. Die anderen Zutaten sind algerische Rhythmen, andalusische Harmonien, mittelalterliche Liedformen, sogar aus der lateinamerikanischen und der jüdischen Musikkultur schwappen einige Spritzer mit in die Suppe. Dieses mediterrane Allerlei hatte seinen ganz eigenen Geschmack, denn all die Zutaten wurden zu sehr kulinarischen Menügängen zusammengebraut.

Mit Perkussion, Bläsern, Akkordeon, Saiteninstrumenten, E-Bass und Akkordeon arrangierten die acht Musiker die einzelnen Stücke überraschend vielseitig und modern. Auch ein Saxophonsolo oder eine sehr ruhige Introduktion auf der Laute waren hier möglich, aber immer behielt der sehr tanzbare Rhythmus die Oberhand, und so war es nur konsequent, daß bei einigen Stücken ein Flamencotänzer das Konzert um eine fast akrobatische Nuance bereicherte. Bei seinen Stakkatotanzschritten (die auch mit Mikrophonen verstärkt wurden, so daß man seine Füße als zusätzliches Instrument bezeichnen kann) merkte man dann entgültig, wie „macho“ all das war. Unvorstellbar, daß da eine Frau mitgespielt hätte – diese Musik war reine Männersache – vielleicht haben gerade deshalb die vielen Frauen im Publikum so begeistert applaudiert.

Willy Taub

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