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Fiskus als Fiesling

■ Emnid-Umfrage bestätigt Klischee vom griesgrämigen Finanzbeamten. Steuerprüfungen sind „zu kleinlich“

Ein mürrischer Finanzbürokrat, der sich hinter einem Stapel von Zahlbüchern vergräbt, in Pfennigfuchser-Manier verbissen Steuerbescheide durchrechnet und ein armes steuerzahlendes Würstchen zur Schnecke macht, weil es sich erdreistet hat, die Currywurst ohne Quittung auf die Spesenrechnung zu setzen – dieses Klischee des Beamten im Finanzamt spukt so manchem Steuerzahler im Kopf umher.

Das Fatale: In vielen Fällen entspricht das Vorurteil der Realität, und zwar gerade in Berlin. Dies geht aus den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage des Bielefelder Emnid-Institus hervor, die im Auftrag des Berliner Bundes der Steuerzahler erstellt wurde. Befragt wurden sechshundert Ost- und tausend WestberlinerInnen. Die Mehrheit der Hauptstadt- BürgerInnen ist äußerst unzufrieden mit dem Service der Staatsdiener. Im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen und Brandenburg werden die Finanzbeamten der Hauptstadt schlechter beurteilt.

„Die Finanzämter müssen sich anstrengen, um uneingeschränkt als bürgerfreundliche Dienstleister gelten zu können“, stellte der Vorsitzende des Steuerzahlerbundes, Rolf Schraepler, fest. Nur ein Viertel der 1.600 in Berlin Befragten bezeichnet sein Verhältnis zum Finanzamt und den dortigen Beamten als „freundlich und hilfsbereit“. Ein Ergebnis, das zu denken gibt.

Die Eigenschaften der Finanzbeamten werden von 12 Prozent als „schlecht“ beurteilt, 21 Prozent nennen sie „bürokratisch“. Auch mit dieser Negativbewertung liegen die BerlinerInnen gegenüber anderen Bundesländern deutlich an der Spitze.

Über die Hälfte findet die Prüfung der Steuererklärungen durch die Finanzbeamten manchmal „zu kleinlich“. Im Zuge der Rationalisierung von Betriebsprüfungen hält auch Rolf Schraepler eine großzügigere Steuerprüfung für angemessen.

Nach Aussagen von Schraepler ist die Ursache für die Unfreundlichkeit der Beamten der große Druck, der auf den Steuerbeamten lastet. „Das Steuerrecht ist in Deutschland viel zu kompliziert“, meint er. Auch die Gesetzgebung sei von ständigen Änderungen geprägt. Häufig würden die Beamten durch den Vorschriftendschungel nicht mehr durchblicken und falsche Auskünfte erteilen. „Dann meckern die Kunden, und die Beamten sind gefrustet.“

Zusätzlich leiden die Finanzämter seit der Wende an Personalmangel. 480 MitarbeiterInnen aus dem Westteil seien in Ostberlin eingesetzt worden. Fast die Hälfte der befragten SteuerzahlerInnen wartet deshalb länger als 10 Wochen auf den Steuerbescheid. In NRW sind dies nur 17 Prozent.

„Bei der Ausbildung von Finanzbeamten soll verstärkt Wert auf Freundlichkeit gegenüber den Kunden gelegt werden“, sagt Schraepler. Die Alteingesessenen dürfen trotzdem weitermuffeln. Silke Fokken

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