Fischzuchtanlange im Saarland: Der teure Traum von der Saar-Dorade
In Völklingen sollte eine moderne Fischzuchtanlage entstehen. Doch die entpuppte sich als ein Millionengrab. Jetzt werden Verantwortliche gesucht.
Doch alles kam anders als geplant. Statt lecker Fisch aus dem Saarland gab es vor allem eins: Schulden, und zwar nicht zu knapp. Fast 20 Millionen Miese, auf denen nun die Steuerzahler sitzen bleiben. Denn die Anlage gehört den Stadtwerken Völklingen, die ein zu 100 Prozent stadteigener Betrieb sind.
Die Angelegenheit beschert dem ohnehin hoch verschuldeten Saarland nun nicht nur neuen finanziellen Ärger, sondern auch seinen nunmehr dritten Untersuchungsausschuss.
Am Donnerstag stand die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) diesem Rede und Antwort. Sie war 2007 als Innenministerin für die Kommunalaufsicht zuständig und hatte das Millionenprojekt nicht verhindert, auch wenn dies der damaligen Rechtslage entsprochen hätte. Das räumte sie am Donnerstag auch selbstkritisch ein.
Das Kommunalselbstverwaltungsgesetz besagte damals, dass solche weitreichenden unternehmerischen Tätigkeiten nicht von einer Kommune getragen werden dürfen. Kramp-Karrenbauer berief sich auf einen Ermessensspielraum. „Das öffentliche Interesse an dem Projekt hat überwogen“, sagte die CDU-Politikerin rückblickend. Man müsse den „Gesamtzusammenhang Strukturwandel und Umnutzung von Industriebrachen betrachten“, so die CDU-Politikerin. Zudem habe man das entsprechende Gesetz wegen der Völklinger Vorhaben anschließend geändert. Da das schon bei der Nichtintervention angedacht war, sei der Widerspruch noch weniger vorhanden. Ein Skandal für die Opposition, die Annegret Kramp-Karrenbauer eindeutig in der Verantwortung sieht.
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Die 40.000-Seelen-Gemeinde Völklingen im ehemaligen Kohlerevier ist wie viele andere Gemeinden seit dem Niedergang der Industrie vom Bevölkerungsrückgang betroffen. Ein neues wirtschaftliches Zugpferd hat die Region noch nicht gefunden. Da kam die Binnenfischzuchtanlage scheinbar gerade recht. Auf dem Gelände einer ehemaligen Kokerei, einem Überbleibsel der goldenen Zeit des Kohlebergbaus, sollte die neue Zukunft entstehen. „Umweltfreundlich, innovativ und eine Lösung für die Überfischung der Meere“, das versprach der Fisch-Anlagenbauer Neomarin in seinem Promo-Video.
Allerdings wollte sich kein privater Investor für das Projekt finden. Die verwiesen auf das hohe finanzielle Risiko. „Dann machen wir das eben“, dachte sich offenbar der CDU-Bürgermeister Klaus Lorig und entschied sich kurzerhand, selbst mit den stadteigenen Stadtwerken Fischzüchter zu werden. Allen gravierenden Zweifeln zum Trotz, die schon damals von Experten geäußert wurden. „In vorigen Jahrhunderten haben auch Menschen gesagt, eine Eisenbahn oder ein Flugzeug könnten nie Erfolg haben“, gab Lorig allen Skeptikern beim Spatenstich 2009 mit.
Mitte 2015 hatte die Stadt rund 17 Millionen in den Bau der Anlage gesteckt und mehrere Kredite aufnehmen müssen, um die Betriebskosten für das sich immer weiter verzögernde Projekt zu decken. Mehr als 20 Millionen Euro kamen so für die Fischzuchtanlage zusammen, ohne dass die jemals nur einen Euro Gewinn erwirtschaften konnte. Wochenlang bangten mehr als 200 Mitarbeiter um ihre Jobs. Am Ende wurde die Anlage regelrecht verscherbelt: für den Spottpreis von 2 Millionen Euro kaufte sie ein Schweizer Investor.
„Das Risiko des Projekts war uns bekannt“, sagte Kramp-Karrenbauer in Saarbrücken im Untersuchungsausschuss. „Aber ich glaube nach wie vor, dass es ein innovatives Unterfangen ist“.
Die Schuld am Scheitern des Projekts sieht sie jedoch hauptsächlich bei ihrem damaligen Staatssekretär Gerhard Müllenbach, auf den sie die Verantwortung abzuwälzen versuchte. Er sei für die Kommunalaufsicht zuständig gewesen. Als Innenministerin könne man sich nicht um alles kümmern.
Eine Tatsache, die die Linken-Abgeordnete Birgit Huonker so nicht stehen lassen will: „Sie war die verantwortliche Ministerin und trägt damit die Verantwortung. Es war ja politisch gewollt. Ein Staatssekretär würde sich niemals trauen, eine Entscheidung ohne seine Ministerin zu treffen.“
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