Fischtreppe und Turbinen: Streit um Vattenfall-Kraftwerk
Mit einer Fischtreppe und einem Wasserkraftwerk will der Stromkonzern Vattenfall einen Ausgleich für das geplante Kohlekraftwerk Moorburg schaffen. Doch nicht alle sind begeistert
Die Pläne des Stromkonzerns Vattenfall für eine neue Fischtreppe und ein Wasserkraftwerk in einem Elbe-Stauwehr bei Geesthacht sorgen für Debatten unter Umweltschützern. Gedacht ist die zusätzliche Fischtreppe, die etwa Lachsen, Stören und Aalen die Wanderung über das Wehr erleichtern soll, ist als Ausgleichsmaßnahme für das von Vattenfall geplante Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg geplant. Im Zusammenhang damit will das Unternehmen nun auch den Bau eines Laufwasser-Kraftwerks in der bereits bestehenden Staustufe prüfen.
Noch im vergangenen Herbst hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Schleswig-Holstein genau dort ein Wasserkraftwerk gefordert und Vattenfall vorgeworfen, dies verhindern zu wollen. Nun sind die Umweltschützer von den Plänen plötzlich nicht mehr begeistert. Die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft müsse "grundsätzlich standortbezogen geprüft werden", verlangten die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein im Juni. "Einen generellen Freibrief darf es nicht geben." Die von Vattenfall geplante Zehn-Megawatt-Anlage werde gerade für die besonders geschützten Wanderfischarten wie Lachs und Meeresneunauge zur regelrechten Todesfalle.
Ähnlich hat sich jetzt der Leiter des Elbfischereibüros in Bleckede (Kreis Lüneburg), Axel Schlemann, geäußert: "Die Turbinen erzeugen einen zusätzlichen Sog, alles oberhalb wird angezogen und geschreddert", behauptete er. Eine zweite, größere Fischtreppe sei zwar so oder so längst überfällig. Die negativen Folgen des geplanten Kohlekraftwerks könne sie aber nicht wettmachen. Es würde die Elbe erwärmen und mit dem Kühlwasser große Mengen Fischlarven und -eier ansaugen.
Dass ein Wasserkraftwerk für den Fischen in unvertretbarer Weise schaden müsse, hält Michael Luhn von der Betreibergemeinschaft UWW Windstrom Wedel für Unsinn. UWW betreibt am Flüsschen Alster in Hamburg seit 2000 ein kleines Wasserkraftwerk. Eine Untersuchung im Auftrag der Umweltbehörde habe ergeben, dass höchstens 8,5 Prozent der Fische dadurch getötet worden seien, sagt Luhn. Er plädiert dafür, dass Bürger oder die Kommune Geesthacht das Wasserkraftwerk an der Elbe bauen sollten und nicht der Vattenfall-Konzern, der seine Option, in der Staustufe ein Wasserkraftwerk zu bauen jahrelang nicht genutzt habe.
In der Weser in Bremen ist im April mit dem Bau eines solchen Bürgerkraftwerks begonnen worden. Der Schutz der Fische gilt dabei als vorbildlich. Um die dadurch anfallenden Mehrkosten zu finanzieren, wird der Strom aus dem Kraftwerk als besonderes Produkt vermarktet.
Hintergrund des Streits um die Ausgleichsmaßnahmen ist das von Vattenfall in Moorburg geplante Kohlekraftwerk mit 1640 Megawatt Leistung, das Strom und Fernwärme liefern soll. Der Kohle-Koloss wird von den Umweltverbänden erbittert bekämpft. Die CDU und die Hamburger Grünen (GAL) zogen sich in ihrem Koalitionsvertrag mit einem Formelkompromiss aus der Affäre: "Die zuständige Behörde entscheidet rechtlich über die Genehmigungs- und Erlaubnisanträge zum Bau eines Kohlekraftwerks in Moorburg", heißt es da. Behördenchefin ist die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk.
Im Vertrauen auf eine grundsätzliche Zusage des ehemaligen CDU-Senats hat Vattenfall bereits mit dem Bau des Kraftwerks begonnen - obwohl die emissions- und wasserschutzrechtliche Genehmigung aussteht. Dass über die Genehmigung noch nicht entschieden wurde, begründete die Behörde unter anderem damit, das die Fischtreppe intensiv geprüft werden müsse. Über eine von Vattenfall eingereichte Klage wegen Untätigkeit ist noch nicht entschieden.
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