Fischfang in Mecklenburg-Vorpommern: Etwas fürs Gemüt

Der Fischfang in Mecklenburg-Vorpommern gehört zum Küstenfeeling. Wirtschaftlich ist er kaum von Bedeutung. Seine wichtigsten Bestände sind gefährdet.

Ein Kutter fährt kurz nach Sonnenaufgang in den Hafen der Insel Hiddensee.

Gehört zum Ambiente: Ein Kutter fährt kurz nach Sonnenaufgang in den Hafen der Insel Hiddensee Foto: Jens Büttner/dpa

HAMBURG taz | Mecklenburg-Vorpommern ohne Fisch und Fischerei ist wie eine Oase ohne Palmen – oder, wie es SPD-Landwirtschaftsminister Till Backhaus ausdrückt: „Ein Ostseebesuch ohne ein Fischbrötchen direkt vom Kutter – das kann niemand wirklich wollen.“ Die Fischerei sei ein Stück Landeskultur und für die wirtschaftliche Entwicklung der Ostseeküste von entscheidender Bedeutung.

Das Land betreibt dafür erheblichen Aufwand: Der Fischfang wird stark subventioniert, aufwendig beforscht und steht regelmäßig auf der politischen Tagesordnung. Dabei bringen die Fänge kaum etwas ein, während die Ostsee immer leerer wird.

250 Millionen Euro an Fördergeld hat das Land seit 1991 an die Fischwirtschaft ausgereicht, sagt der Minister, im Schnitt 8 Millionen pro Jahr. Damit seien Investitionen von 410 Millionen Euro in Hafenanlagen, Kutter und Fischfabriken ermöglicht worden. Eingenommen haben die Fischer mit Hering, Dorsch und Scholle 2015 gerade einmal 10 Millionen Euro.

Und dabei wird die Lage der mecklenburg-vorpommerschen Fischer immer schwieriger, weil der Bestand ihres Brotfischs eingebrochen ist. Nach einer Darstellung des Heinrich-Thünen-Instituts für Ostseefischerei verdienen die Fischer im Land knapp die Hälfte ihres Geldes mit dem Hering. Dieser produziert aber nur noch ein Fünftel so viel Nachwuchs wie vor 20 Jahren.

Fangmenge drastisch reduziert

Angesichts der dramatischen Lage wurde die zulässige Fangmenge 2017 um 94 Prozent reduziert. „Durch diesen drastischen Einschnitt erlebt die Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern derzeit den zweiten großen Strukturwandel nach der Wiedervereinigung“, stellt das Institut fest.

Nach Zählung des Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (Lallf) gab es 1990 noch 950 Fischereibetriebe im Haupterwerb, 2005 noch 450 und im vergangenen Jahr nur noch 200. Die Zahl der Kutter und Trawler ging von 1.100 Anfang der 90er Jahre auf 670 im Jahr 2019 zurück, vor allem ab Mitte der Nullerjahre.

Das Thünen-Institut ist der Frage nachgegangen, wie es zu diesem Einbruch kommen konnte und hat zwei Faktoren ausgemacht: die Erwärmung des Wassers und die Überdüngung des Meeres.

Das Mehr an Nährstoffen führt dazu, dass die Wasserpflanzen, auf denen die Heringe laichen, nur noch in flachen, hellen Uferzonen wachsen. Über den auf weniger Gebiete konzentrierten Laich kann sich der Stichling leichter hermachen. Dazu kommt, dass die Pflanzen von Stürmen leichter an Land geworfen werden und schädliche Algen und Pilze durch den Nährstoffeintrag besser gedeihen.

„Von allen Randmeeren hat sich die Ostsee seit den 1980er Jahren am stärksten erwärmt“, schreiben die Thünen-Forscher. Das wärmere Wasser führt dazu, dass die Heringslarven früher schlüpfen und zu einer Zeit Zooplankton zum Fressen brauchen, in der es noch nicht ausreichend vorhanden ist. Steigen die Temperaturen im Jahresverlauf zu schnell, könnten die Larven überdies Herzrhythmusstörungen bekommen.

Trotz dieser Erkenntnisse geht das Thünen-Institut davon aus, dass der Heringsbestand in der westlichen Ostsee auch unter den Bedingungen des Klimawandels nachhaltig bewirtschaftet werden kann. „Wenn es uns gelingt, ihn in den grünen Bereich zu bringen, kann man wieder 20.000 Tonnen ernten“, sagt Institutsleiter Christopher Zimmermann. Das wäre zwar halb so viel wie 1990, aber zehnmal so viel wie im vergangenen Jahr.

Voraussetzung dafür wäre ein geringerer Nährstoffeintrag und eine maßvolle Fischerei, die sich an den Fangquoten-Empfehlungen der Internationalen Rats für Meeresforschung (Ices) orientiert.

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