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Finanzmarktanalyst über die US-Bankenkrise"Dann hätten wir den Supergau"

Die Nationalbanken werden alles tun, damit es nicht auch beim Versicherungsmarkt kracht, prognostiziert Finanzmarktanalyst Wolfgang Münchau.

Hallo? Ist noch jemand zuständig? Bild: dpa

taz: Herr Münchau, hat die US-Bankenkrise durch die Pleite der Lehman Brothers eine neue Qualität erreicht?

Bild: archiv

Finanzmarktanalyst WOLFGANG MÜNCHAU, 46, leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com. Über die Finanzkrise hat er das Buch "Vorbeben" geschrieben.

Wolfgang Münchau: Wir erleben im Moment den Rattenschwanz der Hypothekenkrise. Banken haben sich verspekuliert, weil im Immobiliensektor und auf dem Kapitalmarkt Blasen geplatzt sind. Nun wickelt sich alles ab, was sich abwickeln musste. Auch wenn sich die Lage bei den Großbanken nun langsam beruhigen dürfte, werden noch weitere, weniger prominente Banken Pleite gehen. Insgesamt wird der globale Bankenmarkt schrumpfen.

Vor ein paar Monaten hat die US-Zentralbank die Investmentbank Bear Stearns noch gerettet. Wieso handelt sie jetzt anders?

Je größere Risiken eine Bank auf sich genommen hat, desto weniger kann man sie pleite gehen lassen, weil sonst großer Schaden am Finanzsystem entsteht. Bear Stearns hatte sich unverantwortlich verhalten und musste gerettet werden. Das Verrückte ist, dass die Lehman Brothers ihre Risiken so weit reduziert hatten, dass ihre Pleite die Gesamtwirtschaft nicht runiniert.

Es ist also nicht so schlimm, dass die US-Zentralbank die Lehman Brothers nicht rettet?

Die Fed handelt völlig richtig. Entweder muss der Steuerzahler für hochbezahlte Banker und ihre Aktionäre einspringen, oder die Zentralbank druckt Geld und verschärft so die Inflation. Beides ist nicht fair. Deshalb muss man mit öffentlichen Rettungsaktionen sehr vorsichtig sein. Die Fed demonstriert nun, dass sie nur manchmal zahlt. Allein dieser Zweifel ist gut.

Welche Risiken liegen noch vor den Finanzmärkten?

Der nächste Teil der Krise wird weltweit eine Menge Versicherungen und Hedge Fonds erfassen. Denn als Folge der bisherigen Turbulenzen auf den Finanzmärkten werden jetzt Versicherungszahlungen fällig, die neue Opfer fordern werden. Der Anfang ist schon zu sehen: Seit dem Wochenende hat einer der größten US-Versicherer Zahlungsschwierigkeiten, weil er großzügige Versicherungszusagen gemacht hat, die er nun einlösen muss. Zum ersten Mal hat die Finanzkrise den Markt erfasst, auf dem sich Versicherungen gegen Zahlungsausfälle absichern. Diese Versicherungskrise kann ungleich gefährlicher werden als die Krise bei einzelnen Banken.

Was ist daran so gefährlich?

Betroffen ist ein vollkommen unregulierter Versicherungsmarkt mit einem Volumen von 62.000 Milliarden US-Dollar. Das entspricht der jährlichen globalen Wirtschaftsleistung. Wenn es in diesem Markt knallt, dann hätten wir den absoluten Supergau. Die Zentralbanken werden alles tun, damit die Situation nicht weiter eskaliert.

Welche Folgen hätte das für die Realwirtschaft?

Es würden enorme Teile des Finanzsystems ausfallen. Kurzfristig wäre eine weltweite Rezession nicht zu vermeiden. Die Zentralbanken werden es aber nicht zur Kernschmelze kommen lassen. Allerdings ist der anhaltende Konjunkturoptimismus in den USA nicht gerechtfertigt. Die USA werden im Zuge der Finanzkrise noch ziemlich tief fallen.

INTERVIEW: TARIK AHMIA

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