piwik no script img

FinanzkriseKliniken sind knapp bei Kasse

Deutsche Krankenhäuser sehen ihre Situation so schwarz wie lange nicht. Ostdeutsche und kleine Kliniken sind laut einer Studie besonders arm. Oft bleibt nur die Fusion - oder die Schließung.

Selbst Stationen für Geburtshilfe werden vielerorts geschlossen. Bild: dpa

BERLIN taz Als die kleine Emely am 27. Juni geboren wurde, war sie das 25.504. Baby, das in St. Anna zur Welt kam - und gleichzeitig das letzte. Mehr als eine Million Euro Minus hatte das Krankenhaus im südhessischen Hadamar allein im Jahr 2006 erwirtschaftet. Im Juli stellte die Geburtshilfe ihre Arbeit ein, zum Jahresende schließt das gesamte Krankenhaus. Auch heftiger Protest konnte nichts ändern.

So wie St. Anna könnte es weiteren der rund 2.100 Kliniken in Deutschland gehen. Denn die Krankenhäuser sehen ihre Situation so schlecht wie lange nicht. Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts haben vergangenes Jahr nur 40 Prozent der Krankenhäuser Gewinne eingefahren. Im Jahr zuvor waren es noch 55 Prozent. Mehr als ein Viertel schreibt rote Zahlen. "Die Stimmung in den Krankenhäusern ist schlecht, und der Blick in die Zukunft ist düster", sagte Georg Baum, Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft bei der Vorstellung der Studie. Insbesondere bei Häusern in Ostdeutschland und kleinen Kliniken sei die Lage dramatisch.

Schuld an der Misere der Krankenhäuser sind laut der Krankenhaus-Lobby unter anderem die Tariferhöhungen der Ärzte, die jährlich rund 1,5 Milliarden Euro ausmachten. Dazu kämen die Mehrwertsteuererhöhung und die bei der Gesundheitsreform eingeführte Sanierungsabgabe an die Krankenkassen in Höhe von 250 Millionen Euro.

Die Krankenhäuser reagieren - und kürzen beim Personal. Rund ein Drittel plant laut der Studie, Stellen von PflegerInnen zu streichen. Jedes zehnte Krankenhaus will Ärzte entlassen. "Am Ende bekommen die Patienten die Belastungen zu spüren", sagte Baum.

Im Bundesgesundheitsministerium hat man hingegen nur bedingt Verständnis für die Klagen der Krankenhauschefs. "Es gibt Krankenhäuser, denen geht es nicht rosig", sagte Ministeriumssprecher Andreas Deffner der taz. "Anderen geht es dagegen wirtschaftlich sehr gut." Von einer Unterfinanzierung der Krankenhäuser, die die Kassen jährlich 50 Milliarden Euro kosteten, könne keine Rede sein. Im internationalen Vergleich sei die Zahl der Krankenhausbetten in Deutschland nach wie vor hoch - laut Weltgesundheitsorganisation ist sie fast doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach spricht deshalb von einem "aufgeblähten Krankenhauswesen".

Auch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen bewertet den Krankenhausschwund eher positiv. In einer Studie von 2006 prognostiziert es, dass bis zum Jahr 2010 zehn Prozent der deutschen Krankenhäuser vom Markt verschwinden werden. Dabei werde es "in der Regel nicht zu Versorgungsengpässen" kommen. Zumal die Insolvenzen nicht immer zur Schließung führen müssten, ein Teil der Not leidenden Kliniken werde fusionieren.

Dennoch gibt es Leidtragende: Die Menschen auf dem Land. "Dort wird man weitere Wege auf sich nehmen müssen", sagte Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen der taz. Krankenhaus-Lobby-Chef Braun warnte vor Versorgungslücken für die Patienten: "Es darf nicht sein, dass man für eine Geburt 30 oder 40 Kilometer fahren muss."

Hier zumindest haben die Einwohner Hadamars Glück. Nach der Schließung ihres Krankenhauses müssen sie nur zehn Kilometer entfernt nach Limburg fahren. Auch das Personal von St. Anna kam glimpflich davon. Die Klinik in Limburg werde alle 60 Mitarbeiter übernehmen, sagte eine Sprecherin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!