piwik no script img

Finanzkrise in GriechenlandRegierung verhökert das Volkseigentum

Privatisierungen sollen noch in diesem Jahr 3,5 Milliarden Euro in die Staatskasse bringen. Doch auch Rentner, Angestellte und Freiberufler müssen bluten.

Protest gegen die Privatisierung der Hellenischen Postbank am Dienstag in Athen. Bild: reuters

ATHEN taz | Der griechische Regierungssprecher Giorgos Petalotis hat an den Patriotismus seiner Landsleute appelliert: Es gehe um die Rettung des Vaterlandes. Die Regierung werde die Privatisierungen vorantreiben, aber auch neue Sparmaßnahmen verhängen, erklärte Petalotis am Montagabend in Athen.

Vor allem Anteile von Staatsunternehmen sollen veräußert werden, etwa am Telekommunikationsriesen OTE, an dem die Deutsche Telekom 30 Prozent hält. Zum Sofortkauf stehen auch die Postbank, die Athener Wasserwerke, das einst kosmopolitische Casino Mont Parnes bei Athen sowie Hafenterminals in Piräus und in der zweitgrößten Stadt Thessaloniki.

Allein in diesem Jahr will die Regierung mindestens 3,5 Milliarden Euro durch den Verkauf von Tafelsilber einnehmen. Bis 2015 sollen durch weitere Privatisierungen die bereits im Februar 2011 zugesagten 50 Milliarden Euro in die Staatskassen fließen.

Auf dem Verkaufszettel stehen die Elektrizitätswerke DEI, das staatliche Erdgasmonopol sowie die Athener Flughafengesellschaft, an dem Hochtief heute 40 Prozent hält. Diese Betriebe sollen "später" auch privatisiert werden, heißt es in Athen. Warum später?

Die Antwort dürfte klar sein: Gewerkschaftsbosse und Politiker der Volksparteien sind freundschaftlich verbunden, treue Gewerkschafter werden oft für frühere Verdienste mit einem Sitz im Athener Parlament oder im EU-Parlament belohnt. Ein bedingungsloser Kampf gegen Staatsmonopole würde vielen Parteigrößen ihre Machtbasis entziehen. Also lässt man sich Zeit.

Die man nicht hat. Um der Staatspleite zu entgehen, braucht die griechische Regierung mehr Geld, als sie noch 2011 durch Privatisierungen einnehmen kann, und greift auf Bewährtes zurück: Rentner, Angestellte und kleine Freiberufler müssen den Gürtel enger schnallen. Verbrauchssteuern werden erhöht, Überstunden nicht mehr bezahlt, Zusatzrenten höher besteuert und auch eine Mehrwertsteuererhöhung für Lebensmittel ist nicht mehr tabu. Dadurch verspricht sich die Regierung 2011 zusätzliche Einnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro.

Selbst die den regierenden Sozialisten freundlich gesinnte Athener Tageszeitung Eleftherotypia sieht einen "Beutezug gegen das Volk". Dabei versicherte Regierungssprecher Petalotis noch im April, neue Einsparungen 2011 seien kein Thema.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • E
    EuroTanic

    Das ist der grösste Raubzug in Europas Geschichte, und er hat grade erst angefangen. Wie das geht? Ganz einfach:

    - Die EZB verleiht Geld an die Privatbanken zu 0% (nahezu)

    - Die Privatbanken verleihen das Geld and die Länder (Staatsanleihen)

    - im Falle von Griechenland zu bis zu 26%

    - Das Geld der EZB kommt von den Ländern

    - Das Geld der Länder kommt von den Steuerzahlern

     

    Faktisch verleiht also der europäische Steuerzahler (auch Griechenland) den Privatbanken zu 0 Euro Kosten das Geld, um es sich dann von denselben Banken wieder zurück zu leihen, zu bis zu 26% Zinsen.

    Wenn die Länder dann nicht mehr diese Wucherzinsen zahlen können wird das Land ausgebailt. Wieder mit europäischen Steuergeldern. Das Geld erhalten aber nicht die Ländern und Menschen, sondern wieder die Banken. Dazu müssen dann die Länder zwangweise alles zu Dumpingpreisen privatisieren oder verschenken. Damit fallen auch die letzten Einnahmequellen weg.

    Wenn ein Land, hier Griechenland, ausgeplündert ist kommt das nächste dran, Irland, Porutgal, Spanien etc. Bis hin zum letzten Gläubiger, Deutschland. Hier liegen 5 Billionen Geldvermögen auf der Bank, vom Steuerzahler. Die gilt es als Sahnehäubchen zu stehlen.

     

    Wenn das kein gutes Geschäftsmodell der Banken ist? Ich nenne das Bankenkommunismus.

  • N
    Noblinski

    Ob die Ausdrucksweise "Beutezug gegen das Volk" gerechtfertigt ist, müßte man von den erzielten Preisen abhängig machen. Jedoch etwas anderes ist völlig sicher: Einsparungen im dem Sinne, wie es hunderte Leitartikler und Kommentatoren derzeit suggestiv verbreiten, das sind diese Notprivatisierungen nicht. Die Gewinne dieser Unternehmen werden im griechischen Staatshaushalt künftig fehlen, und ob die späteren Eigner und Manager dafür tüchtig Steuern zahlen werden, das weiß noch nicht mal Zeus.

  • D
    daweed

    Wieso der Logik der Chicagoer Schule immer noch als Heilbringer für eine strauchelnde Wirtschaft gilt, wer wüßte es besser als der IWF?

     

    Dank der EU wird Griechenland eine engstirnige Politik verordnet, die schon jetzt zum Scheitern (mit steigender Armut, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit) verdammt ist.

     

    So wird das Ausbrechen Griechenlands aus dem Euro beschleunigt, anstatt es zu stoppen.

     

    http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/wie-europa-gerettet-werden-koennte/