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Finanzinvestor ArquesDie Ausschlachter

Wie man Unternehmen filetiert, den Börsenwert künstlich hochtreibt und mit Gewinn aussteigt. Eine Lektion, die für 700 Druckereimitarbeiter das Berufsende bedeutet.

Glänzende Geschäfte: "Arques"-Firmenschild in Starnberg. Bild: dpa

Der Rost zieht sich 50 Meter lang. Ganz scheckig ist die "Lithoman 3" schon vom braunen Fraß. Eigentlich kann die riesige Maschine 3,2 Millionen Seiten Papier in einer Stunde bedrucken. Doch schon seit zwei Jahren verrottet alles hier in der eingebeulten Wellblechhalle in Köln-Mülheim. Nur das Firmenlogo aus Plastik an der Außenwand glänzt wie neu.

Die Geschichte der Kölner Druckerei Bachem und sechs weiterer Druckhäuser erzählt, wie fatal sich der Einstieg sogenannter Finanzinvestoren für Unternehmen gestaltet, in die sie nichts investieren. Wie marode Firmen noch einmal ausgeschlachtet werden - wer als Gewinner dasteht und wer verliert. Im Falle der Arquana International Print & Media AG haben über 700 Drucker ihren Job verloren.

Auf der Sonnenseite sieht sich dagegen Peter Löw. Seit vergangenem Dezember hat der Firmenjäger ein neues Revier. Mit seiner Beteiligungsfirma Bluo hat er die Nachrichtenagentur ddp mit dem deutschen Dienst der Associated Press vereinigt. Jetzt bläst er zum Großangriff auf den Platzhirsch dpa. "Wir werden die beste Voll-Agentur in Deutschland sein", sagte er. Vollmundig war er schon bei seiner ersten Beteiligungsfirma Arques Industries in Starnberg. Damals sagte er Arquana eine große Zukunft voraus. Davon will er heute nichts mehr wissen. Zu Arquana möchte er sich nicht äußern.

DIE FIRMEN

Arques: 2002 benannte der neue Eigner Peter Löw den ehemaligen hundertjährigen Kurmittelbetrieb "AG Bad Salzschlirf" in "Arques AG" um. Seither saniert das Unternehmen mittelständische Unternehmen. Seit 2007 auch Beteiligung an nicht maroden Firmen: Der IT-Distributor Actebis von der Otto-Gruppe und der Telefonhersteller Gigaset Communications GmbH (ehemals Siemens) kommen ins Portfolio.

Arquana: Zwischen 2005 und 2006 erwarb die Beteiligungsfirma Arques Industries sieben Druckereien und fasste sie unter dem Dach der Arquana-Holding zusammen. Mit preiswerten Angeboten versuchten die kriselnden Druckhäuser sich zu behaupten: Im Verhältnis zum Umsatz erhöhte sich laut eines Consulting-Kurzgutachtens die schon sehr hohe Materialquote von 63,5 Prozent im Jahr 2006 zwölf Monate später auf 68,2 Prozent.

Arques hatte sieben billig aufgekaufte Druckereien in der 2005 gegründeten Tochter Arquana zusammengefasst. "Wir werden das Unternehmen zu den Top 5 der Rollenoffsetdruckereien und Dienstleister in Europa machen", hatte Vorstand Friedrich-Carl Wachs im Juli 2006 ausgerufen. Kriselnde Firmen sollten von Arquana einer Kur unterzogen, aufgepäppelt und binnen drei bis vier Jahren mit Erfolg verkauft werden. So lautet das Arques-Credo.

Doch zuweilen verstirbt der Patient.

Zunächst lohnte sich der Kauf der Druckereien für Arques schon allein für die Bilanz. Denn die Firmen samt ihren Anlagen und Immobilien waren laut Geschäftsbericht 2005/2006 mehr wert als der Kaufpreis von insgesamt rund 11 Millionen Euro. Die Differenz verbuchte Arques als Gewinn - das erlauben die Rechnungslegungsregeln, und das hilft dem Börsenkurs.

Vordergründig verfolgte Löw mit der Arquana das Ziel, durch größere Einheiten und effizientere Verwaltung in der Druckbranche Marktanteile zu erobern. "Dann kamen Herren in schwarzen Anzügen", erinnert sich Harald Stadler, Betriebsratsvorsitzender bei Bachem, "und sie hielten uns allesamt für dumme Arbeitnehmer. Sie wollten uns zeigen, wie man eine Druckerei saniert."

Personalkosten runter

Hintergründig, so Stadler, habe Arques vor allem den Kurs der börsennotierten Arquana im Blick gehabt. Die schiere Größe als Ziel verfolgten die Starnberger mit zwei Mitteln. Personalkosten sollten runter und Umsätze rauf. "Es wurde gedruckt. Koste, was es wolle", sagt Stadler. Arquana machte Billigangebote weit unter denen der Konkurrenz. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag sollten die Maschinen laufen. Und sie liefen.

Arques investierte allerdings nach Angaben des Konzernbetriebsrates kaum. Allein durch eigene Kapitalerhöhungen am Börsenmarkt sollte Arquana Kraft kriegen. Zusammengelegt sahen die maroden Firmen besser aus, als es ihnen ging. Ihr Börsenwert sollte steigen, bis Arques sich wieder von ihnen trennen konnte. Im Februar 2006 notierte die Arquana-Aktie bei der Frankfurter Börse bei 34 Euro und hielt sich bis Jahresende bei 25 Euro; in den Vorjahren hatte sie meist zwischen 10 und 20 Euro gependelt. Doch das Alltagsgeschäft machte den Druckern ebenso zu schaffen wie Managementfehler: "Die Aufträge wurden zwischen den Druckereien hin und her geschoben", erinnert sich Thomas Künkele, Betriebsratschef der Colordruck GmbH in Pforzheim. "Ob dies einen wirtschaftlichen Sinn ergab, spielte keine Rolle."

Bei der Planung der Aufträge, sagt Stadler, habe die Zentrale oft nicht die Gegebenheiten vor Ort gekannt, wie zum Beispiel Papierdisposition, Arbeitszeiten oder Maschinenschäden. Wurde so ein Auftrag für Köln geplant, musste er in Pforzheim ausgeführt werden: mehr Zeit- und Geldaufwand waren die Folge. Eine Konzeption oder einen Masterplan für die Unternehmensentwicklung gab es nicht.

Das Management machte sich an den Verkauf von Maschinen und Gelände. 2006 erzielte Arquana mit Leasinggeschäften allein bei Bachem und der Druckerei Johler 13,1 Millionen Euro. Doch das Geld wurde in die Deckung der laufenden Arquana-Kosten gesteckt. Damit verloren die Druckereien für Arques an Wert. In Starnberg machte man sich daran, einen Exit-Plan zu entwerfen.

Wenn internationale Finanzinvestoren als Heuschrecken verschrien sind, dann sind Restrukturierer die Totengräber: Gern erwerben Unternehmen wie Arques, Aurelius AG oder Bavaria Industriekapital AG Firmen zum negativen Kaufpreis, oft von Konzernen, die ihre kriselnden Töchter per Mitgift loswerden. Eine Art Mitgift hatten auch die Arquana-Druckhäuser: ihre Immobilien und Maschinenparks. Ende 2006 begann Arques daher mit dem Ausstieg. Man reduziere den Anteil auf unter 50 Prozent, um dem Unternehmen "eine größere Eigenständigkeit" zu ermöglichen, hieß es in einer Mitteilung von Arques. "Der Arquana-Konzern hat sich … zu einem namhaften europäischen Player … entwickelt", lobten die Starnberger.

Einen guten Zeitpunkt für seinen Ausstieg erwischte Peter Löw. In zwei Schüben verkaufte er Ende Januar und Ende Februar 2007 all seine Anteile an Arques und zog sich laut Medienberichten mit etwa 80 Millionen Euro vorerst ins Privatleben zurück.

Schließlich verabschiedeten sich auch die übrigen Arques-Manager. Ende August veräußerte Arques 29,9 Prozent ihrer Anteile an Arquana an einen "internationalen Investor", wie es in einer Pressemitteilung hieß. Gemeint war die Printec Investments Ltd. mit Sitz in Birmingham, Großbritannien. "Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart." Von Printec als neuem Hauptinvestor hörte man in den folgenden Monaten nicht viel.

Mitte Dezember trennte sich Arques von den restlichen 19,8 Prozent an Arquana. Am 18. Dezember dann verkaufte auch Printec sein gesamtes Depot. Zwischen dem 17. und dem 20. Dezember fiel der Kurs der Arquana-Aktie um 65 Prozent. Anfang Januar 2008 stellte Arquana Antrag auf Insolvenz. Printec hatte ihr den Todesstoß versetzt - dabei liegen die Unternehmensziele dieser fragwürdigen Firma im Dunklen; aber ihr Hintermann führt in die Münchener Szene jener Beteiligungsgesellschaften zurück, in der Arquana entstanden ist. Nur wenige Tage vor dem Erwerb der Arquana-Anteile war Printec gegründet worden. Die britische Datenbank "Check Sure" weist als Gründungsdatum den 18. August 2007 aus. Alle Anteile von Printec gehören laut "Check Sure" einer WS Consult GmbH in München. Die gleiche Telefonnummer besitzt die Unternehmensberatung Schaal & Partner in München. Ein Anruf dort wird schnell abgeschmettert. Auch weitere Kontaktversuche scheitern.

Doch die britische Datenbank bietet Aufschluss. Als Direktoren von Printec nennt sie Arndt Greifenhofer. Der wiederum hatte sich einen Namen gemacht, als er im ersten Halbjahr 2006 der Firma Investunity AG vorstand. Diese investiert eigenen Angaben zufolge "in Unternehmen in Turnaround-Situationen oder unterbewertete Assets mit hohem verdecktem Substanzwert". Dieses Engagement bewältigte Arndt Greifenhofer laut Geschäftsbericht 2006 ohne einen einzigen Mitarbeiter. Allerdings residiert Investunity im Münchener Bavariaring 11 - unter einem Dach mit der Kapitalbeteiligungsfirma Aurelius. Deren Chef Dirk Markus stand 2006 dem Aufsichtsrat von Investunity vor - und hatte 2002 gemeinsam mit Peter Löw Arques gegründet. Beide hatten vorher bei McKinsey gearbeitet. 2004 ist Dirk Markus bei Arques ausgeschieden.

Arndt Greifenhofer arbeitet für Aurelius auch an anderer Stelle. Mitarbeiter der Londoner Firma Sit Up Ltd., eines Homeshopping-Spezialisten im Besitz von Aurelius, verweisen nach München. Bei Sit Up wird Greifenhofer als Direktor geführt. Doch mit ihm sprechen darf man nicht. Dennoch bestätigt die Beteiligungsfirma, dass Greifenhofer für sie als Direktor bei Sit Up arbeite, "aber nicht operativ".

Die Druckereien der Arquana standen schließlich vor dem Aus, sie wurden abgewickelt - lediglich eine, die Johler Druck in Neumünster, hat überlebt. Nur ein wirklicher Finanzinvestor hätte ihnen vielleicht helfen können - Arques aber schielte stattdessen auf den lukrativen Exit. Heraus kam ein frühzeitiger Exitus. Die Restrukturierer versuchten sich an einer Branche, die sie nicht kannten. Den Scherbenhaufen versuchten sie mit Hilfe einer Briefkastenfirma zu verbergen.

Ganz erledigt ist die Affäre Arquana indes nicht. Die Salzburger Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang des Konkurses der Arquana-Druckerei Sochor wegen des Verdachts auf grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und auf Betrug.

Bleibt noch die ominöse Printec. Die Firma verwischt gerade ihre Spuren. Zum 31. Juli 2010 hat sie sich aufgelöst.

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8 Kommentare

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  • F
    Fakten

    Klar kann man der Philosophischen Ansicht sein. Recht haben Sie ganz sicher, zumindest in der allgemeinen Auffassung über Reststrukturierung und Bilanzierung. Nur kennen Sie nicht die Hintergründe, wie ich aus dem Kommentar entnehmen kann. Wenn eine Firma der Arques vor die Füsse geworfen wird und das von jemandem der mehrere hundert Millionen auf dem Privatkonto stehen hat. Dann hatte dieser Eigentümer schlicht keine Lust mehr am Unternehmen und bewies somit doppelt sein unternehmerisches Unvermögen. Unfähig mit Massnahmen und den nötigen Mitteln (die er ja bekanntlich hat) ist er mit dem verschenken an Arques billig aus der Nummer gekommen. Ist besser in der Lokalpresse den berühmten Namen zu retten, statt sich der Häme auszusetzen. Es ist rechtlich sicherlich einwandfrei aber gesellschaftlich umverantwortlich. Denn die Verantwortlichen haben sich bereichert und die Gesellschaft darf dann hierfür seine Börse öffnen und nachzahlen.

  • P
    Philosoph

    Verwerflich ist es, wenn Börsenkurse aufgebläht und Anleger über den Tisch gezogen werden. Dem leisten unsinnige internationale Rechnungslegungsstandards Vorschub. Sie erlauben es nicht nur, sondern schreiben vor, die Differenz zwischen dem in einer Verlustsituation niedrigen Firmenkaufpreis und einem höheren Wert der einzelnen erworbenen Güter als Gewinn auszuweisen. Dr. Dr. Löw war vor allem schlau genug, den Effekt dieses Unsinns früher als andere zu erkennen und skrupellos genug, das sinkende Schiff Arques in einem für sein Privatvermögen günstigen Moment zu verlassen.

     

    Dumm und verantwortungslos ist es jedoch, die mühevolle Arbeit von Restrukturierern mit dem Generalverdacht der Totengräberei zu belasten, nur weil ein Teil der Sanierungsbemühungen fehlschlägt und diese Fehlschläge zuweilen in naiver Vogel-Strauß-Manier ungeschickt getarnt werden. Hätten die 700 Drucker denn ohne Arques länger in ihren Druckereien arbeiten können? Die Vorbesitzer hatten das Geschäft doch längst aufgegeben. Sonst hätten sie ihre Druckereien der Arques nicht vor die Füße geschmissen. Marode Firmen, die von Restrukturierern erworben werden, hätten ohne diese deutlich geringere Überlebenschancen. Wer die Restrukturierer als solche diffamiert, gefährdet das Sanieren von Firmen und damit den Erhalt der zukunftsfähigen Arbeitsplätze in diesen.

  • DM
    Das Management

    Das Spiel konnte nur seinen Lauf nehmen, weil Unternehmer bereitwillig und auf einfache Weise sich aus der Verantwortung verkaufen konnten. So auch bei Colordruck. Unfähige Geschäftsführer wurden dann durch unfähigere sogenannte "Task Force´ler" ersetzt. Mit einem einzigen Ziel: Das operativ, nachhaltige Geschäft interessierte diese Leute nicht im geringsten. Sie hatten von den Herren Löw und dessen Sprachrohr Wachs die Aufgabe mitbekommen, die Story für die Börse zu erzählen. Treffend in Ihrem Artikel beschrieben und teilweise sogar untertrieben. Die Profis verliessen relativ schnell diese Unternehmen, da sie schon sehr schnell die Handschrift erkannt hatten. Die "Ja-Sager" blieben trotz vieler Warnungen. Diejenigen die gegangen waren wurden durch billige und willige Arbeitnehmer ausgetauscht. Spätestens da war die Route klar erkennbar. Aber im Nachhinein diese Geschichte zu erzählen ist eigentlich überflüssig. Es zählt eigentlich nur noch die juristische Aufarbeitung dieser Sache, wenn es sich denn umsetzen lässt. Zeugen, Spachaufzeichnungen und Dokumente gibt es genug. Welcher Staatsanwalt sich der Sache in Deutschland annimmt wird sicherlich mehr Material bekommen, als man annehmen könnte! Dies ist eine Einladung gewesen.

  • M
    Mitarbeiter

    nur eine gesetzliche Regelung kann hier Abhilfe schaffen.

    Hoffentlich passiert etwas, bevor der naechste Patient GIGASET "ausgesaugt" ist.

  • A
    Arquanana

    Dirk Markus stand letztlich hinter der Printec stand. Arquana wurde von Arques mit dem einzigen Zweck verkauft, diese zu beerdigen.

  • S
    Stefano

    Warum schiebt vor so etwas niemand einen Riegel.Jeder mit Internetanschluss und einigen Fachkenntnissen kann ähnliches offenlegen Sind deutsche Staatsanwaltschaften dazu auch in der Lage? Ich meine nätürlich bevor sich alles in Luft aufgelöst hat und die Haie wieder in neuen Becken schwimmen.

  • MA
    Martin Affengruber

    Ich war damals in Arquana investiert und finde dies ebenfalls eine Frechheit. Meine Infos zu diesem Fall haben mich auch zum Entschluss, Betrug gebracht. Zeit ist sehr viel vergangen seit dieser Sache Arques wurde deswegen nie geprüft oder etwas der Gleichen. Die Herren Löw und Vorderwülbecke arbeiten weiter an Sanierungen. Bavaria Industriekapital ist hingegen meiner Meinung nach etwas vernünftiger! Kaum Fehltritte, Insolvenzen oder Vorgänge die darauf Schließen lassen.

     

    affi3

  • A
    alcibiades

    Sehr interessant! Bleibt dran!