: „Finanzhilfe löst Probleme nicht“
Finanzexperte Joachim Wieland kommt heute zur Diskussion mit der Finanzsenatorin
taz: Herr Wieland, ist der Föderalismus noch zu retten?
JoachimWieland, Hochschule Speyer: Er hat schon einige Krisen erlebt. Er ist in einem rettungsfähigen Zustand.
Sofort nach Abtritt der erfolglosen Föderalismuskommission II wurde wieder eine Länderfusion gefordert.
Seit Bestehen der BRD gibt es Diskussionen, ob man nicht Länder zusammenschließen müsse. Es hat sich aber gezeigt, dass der historisch gewachsene Zusammenhalt stärker ist als das Interesse an Verwaltungsvereinfachung. Deutschland hat eine gebrochene Geschichte, da muss man froh sein, wenn es solche Identifikationen gibt. In Bremen muss ich das nicht betonen.
Und in Berlin?
In Berlin wäre man zu einem Zusammenschluss mit Brandenburg bereit. Aber Brandenburg wird das nicht tun, wenn es die enorme Schuldenlast Berlins übernehmen müsste. Zudem müsste die Sonderstellung der Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich erhalten bleiben.
Vom Jahr 2020 an soll ein Verbot von Neuverschuldung für alle Länder festgeschrieben werden. Ist das realistisch?
Nein. Man wird lange vor 2020 eine neue Regelung treffen müssen. Auch für Bremen gilt: Die zusätzliche Hilfen lösen Bremens Finanzprobleme nicht.
Umverteilen kann man derzeit aber nur Schulden.
Es wäre sinnvoll, den Ländern ein Stück weit mehr finanzielle Autonomie zu geben. Berlin hat gezeigt, dass es möglich ist, zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, mehr Autonomie würde das erleichtern. Die Altschulden bleiben als Problem, da kann man nur hoffen, dass sich ihre Bedeutung im Laufe der Zeit reduziert. Das sind Sünden der Vergangenheit.
Autonomie bedeutet auch stärkere Orientierung der Einnahmen an der Wirtschaftskraft?
Ja. Schauen Sie sich Bremen an: Das Land leistet einen hohen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt und steht nach dem Verteilungsprozess relativ schlecht da. Das ist ein Webfehler der Finanzverfassung von 1969.
Sie haben Bremen 1992 sehr erfolgreich vor dem Verfassungsgericht vertreten , derzeit vertreten Sie Berlin. Die Stadtstaaten haben oft ihre Interessen gegeneinander formuliert. Warum?
Sie haben viele gemeinsame Interessen. Wenn es im politischen Bereich oft gehakt hat, mag das auch an den Personen gelegen haben.
Das kann sich also ändern, wenn Ulrich Nussbaum Berliner Finanzsenator ist?
Es wäre wünschenswert.
IINTERVIEW: KAWE
Diskussion zwischen Joachim Wieland und Karoline Linnert: 19 Uhr, Arbeitnehmerkammer, Bürgerstr 1
Hinweis:JOACHIM WIELAND, 57, ist Professor für Öffentliches, Finanz- und Steuerrecht in Speyer. Er war Mitglied der 1. Föderalismuskommission (2003 / 2005) und Sachverständiger der Föderalismusreformkommission II