■ Filmstarts à la carte: Steindumme Butte am unteren Meeresrand
Wieder mußten wir zu unserem Entsetzen feststellen, daß unsere royale Meinung so gar niemanden von irgend etwas abhält oder irgendein Pfifferling gegeben wird darauf.
Nur so war es nämlich möglich, daß Thomas Hausner mit seinem „Film“ Es lebe unsere DDR bis nach Berlin gelangen und sogar reüssieren konnte, obwohl wir doch in Hof klar und deutlich mit royalem Schaum vor dem Mund auf dem Film herumgegeifert hatten wie weiland mein Schulkamerad Jörg Plünske – sei gegrüßt Jörg, und alles Gute –, der geschlagene fünf Minuten im Klassenzimmer auf der Mütze herumgejumpt war, die der Herr Lehrer ihn abzunehmen geheißen hatte. (haste gut gemacht, Jörg-o).
Das „unsere“ des Titels jedenfalls, Es lebe unsere DDR – 40 unglaubliche Jahre, ist schon die erste Anmaßung, denn Hausner ist Münchener, wie sie im Buche stehen, was an sich noch zu verkraften wäre. Auch dürfen solche Münchener durchaus Filme über die DDR machen, verstehen wir uns da nur recht; ich bin keineswegs einer dieser Erfahrungsfetischisten, die immer meinen, wer noch nichts vor die Rübe gekriegt hat, dürfe nicht über Ludwig XVI., den armen Mann, schreiben. Also was jetzt.
Es handelt sich, wenn man es zunächst mal neutral ausdrücken möchte, um eine Art Kompilationsfilm, also einen Zusammenschnitt von Archivaufnahmen, die man eben hernimmt und nach eigenem Gutdünken zusammenmoppelt. Hier bei Hausner sieht man DDR-Auf- und -Vorbeimärsche, DDR-Modenschauen, Interviews mit DDR-Eltern zur DDR-Kindeserziehung, der sozialistischen, und DDR-Schlagersänger auf und hinter der DDR- Bühne, das ganze ADN-Programm, in der Regel alles aus den sechziger Jahren, zusammenkrachende DDR-Betten und mindestens einen albernen Kerl mit DDR-Haartolle. Die Schlüsselstelle war für mich die Montage eines im Fernsehen auftretenden Vogelstimmenimitators, der ein Lachsalven abfeuerndes Publikum bedient, danach sieht man direkt die Prozessionen zum Nationalfeiertag. Die Absicht merkt nur ein Steinbutt nicht, wie sie zu Hauf am Boden des Meeres herumlungern, alle anderen wissen: Hier soll der Ostler als adrett dressiertes Tierchen Männchen machen, alle ein bißchen doof, nach Kernseife riechend, ein bißchen liebenswert, aber jedenfalls bis ins letzte konditioniert. Völlig absurd und abwegig die Vorstellung, auch nur ein einziger Mensch in diesem System könnte sich so etwas wie eine Überzeugung geleistet haben; die ganze DDR verpufft zum Kasperletheater, das diese rührenden Menschen zu unserer westlich-goutanten Erbauung aufgeführt haben. Natürlich wird bei keinem Thema lange genug verweilt, daß man irgend etwas Interessantes zu sehen bekäme; aber selbst wenn man sagt, na gut, machen wir die DDR mal als Realzeit-Komödie, die eben vierzig Jahre dauerte, fragt man sich doch, was der Witz ist.
Vielleicht erinnert sich noch jemand an diesen unsäglichen Deutschland Privat – das war so ein ähnliches Projekt. Man greift sich ein paar Nierentische, legt ein paar Spießer mit heruntergelassenen Hosen darüber und hat eine Mordsgaudi. Aus einem ähnlichen steindummen Dünkel ist Es lebe unsere DDR entstanden, und das von Münchenern, die doch einen Achternbusch haben, bei dem man sehen kann, wie sich trefflich witzeln läßt.
Jetzt ist es wieder passiert: schon zum zweiten Mal wollte ich unbedingt über An American Heart mit Jeff Bridges schreiben, in dem doch Bridges mit existentialistisch entblößter Brust als Knacki zu seinem Sohn findet, aber da heißt es schon wieder „Hurra und Igitt“, Kolumne zu Ende, Affe dot. mn
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