■ Filmstarts à la carte: Eine nahezu ausgestorbene Kunst
Der Familienunterhaltung erging es im Kino in den letzten Jahrzehnten wie einst den Dinosauriern: Sie starb aus.
Oder doch jedenfalls beinahe – nur der Disney-Konzern hält diese Fahne heute noch hoch. Mögen böswillige Menschen damit auch den Versuch assoziieren, es auf allzu nette Weise jedem recht machen zu wollen – mich hat die Kunst, mit Phantasie und handwerklichem Geschick Geschichten zu erzählen, die vom Teenager bis zum Greis jeden Zuschauer gleichermaßen ansprechen und amüsieren, stets fasziniert. Doch was etwa in den fünfziger Jahren noch als selbstverständlich galt, vermittelt uns heute nur noch den Charme einer unwiderbringlich vergangenen Ära. Der unbestritten charmanteste Star im Dienste der Unterhaltung war in Großbritannien Alec Guinness.
In Anthony Kimmins' Komödie „Der Schlüssel zum Paradies“ (1952) – jetzt in der Reihe „Doppelleben“ im Zueghauskino zu sehen – verkörpert er einen Kapitän, der mit seinem kleinen Passagierschiff zwischen Gibraltar und Nordafrika pendelt und in jedem Hafen eine Frau hat, die seine jeweils sehr verschiedenen Bedürfnisse befriedigt. Erwartet ihn mit Afrika Yvonne de Carlo mit Champagner und wilder Leidenschaft, so serviert ihm in Gibraltar mit Celia Johnson ein biederes Hausmütterchen bürgerliche Hausmannskost. Der Film lebt vom Kontrast: Mit staubtrockenem Humor werden in beiden Häfen ähnliche Situationen heraufbeschworen, in denen die beteiligten Damen natürlich völlig unterschiedlich reagieren.
Kimmins spielt hier mit den Erwartungen der Zuschauer, die im Verlauf des Films jedoch immer enttäuscht werden: DIe Liebesgöttin entwickelt nämlich hausfräuliche Ambitionen und die graue Maus erweist sich als Partytiger – was den Käpt'n mit seinen Paschaallüren durchaus in einige Verwirrung stürzt.
Vor allem aber ist „Der Schlüssel zum Paradies“ ein Triumph des Schauspielers Alec Guinness: Wie er – stets mit britischem Unterstatement und „slightly tongue in cheek“ – ohne je unglaubwürdig zu werden mit Yvonne de Carlo Flamenco tanzt, philosophische Gespräche unter Intellektuellen führt oder Celia Johnson die Vorzüge eines neuen Staubsaugermodells erklärt, zeugt von einer Wandlungskraft ohnegleichen.
Drei weitere Engländer – diesmal in Hollywood: Alfred Hitchcook, Carry Grant und James Mason sorgten mit „Der unsichtbare Dritte“ für eines der besten Werke des Meisters des Suspense.
Auch hier dreht sich alles um eine Art Doppelleben: Versehentlich für einen gar nicht existenten Agenten gehalten, muß sich der Werbefachmann Roger Thornhill (Grant) langsam in diese Rolle fügen, um den Nachstellungen von Polizei und feindlichen Spionen zu entkommen. An „North by Northwest“ besticht vor allem der Humor: Von einer irrwiztigen und demütigenden Situation zur nächsten gehetzt, verliert Cary Grant doch nie seinen Sarkasmus und diesen leicht irritierten Gesichtsausdruck, der einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Chamres ausmachte.
Und welcher Film kann schon eine Mutter aufweisen, die einen Mord verhindert, indem sie die Menschen in einem vollbesetzten Fahrstuhl zum Lachen bringt: „Das kann doch nicht ihr Ernst sein, meine Herren! Sie wollen wirklich meinen Sohn ermorden?“
Lars Penning
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