■ Filmstarts à la carte: Guten Appetit!
Im Jahre 1968 setzte der in Pittsburgh arbeitende Regisseur George A. Romero einen neuen Markstein im amerikanischen Horrorfilm. Nicht einmal 120.000 Dollar hatte „Night of the Living Dead“ gekostet – das Einspielergebnis von rund 20 Millionen bewies, daß man auch mit Independent-Produktionen, weitab von Hollywoods Glanz und Glamour kommerziellen Erfolg haben konnte. In Sachen Gore- und Splattereffekte eröffnete der Film erstmals auch dem breiteren Publikum eine neue Dimension: Zombies, die die Eingeweide ihrer Opfer futterten, schockierten die Nation – die noch erheblich drastischeren Exploitationproduktionen des notorischen Do-it- yourself-Splatterkönigs Herschel Gordon Lewis, der bereits in den frühen sechziger Jahren vorzugsweise hübsche Ex-Playmates von wahnsinnigen Pharaonen zerstückeln ließ, hatten nur regionale Bedeutung besessen. Vor allem aber stand Romero der Sinn nach mehr als nur Blutrausch. „Night of the Living Dead“ handelt vom Verlust des Vertrauens in traditionelle amerikanische Werte: Die staatlichen Autoritäten sind entweder hilflos – oder reaktionär wie der ballerfreudige Sheriff und seine Bürgerwehr, für die die Zombiejagd geradezu ein Freizeitvergnügen zu sein scheint. Die Institution Familie bietet den Menschen ebenfalls keine Sicherheit mehr: Die zum Zombie gewordene Tochter frißt ihre Eltern; der Bruder attackiert seine Schwester. Und die Notgemeinschaft der sieben Leute, die sich vor dem Angriff der Untoten in einem Haus verbarrikadieren, ist von vornherein chancenlos: Angst, Feigheit, Machogebaren und Mißtrauen dominieren das Verhalten. In Untersicht aufgenommene Totalen erzeugen den Eindruck einer völligen Verlorenheit der Personen im Raum; die sichtbaren Decken verstärken das Gefühl der Klaustrophobie und Ausweglosigkeit. Den letzten Überlebenden erledigt schließlich die Bürgerwehr.
Ein intellektuelles Konzept vermag auch der Science-fiction- Klassiker „Forbidden Planet“ aufzuweisen, den Lassie-Regisseur Fred M. Wilcox 1955 für MGM inszenierte. Entfernt erinnert die Figurenkonstellation an Shakespeares Spätwerk „Der Sturm“: Ein einzelgängerischer Wissenschaftler (Walter Pidgeon) lebt mit seiner lebens- und liebesunerfahrenen Tochter sowie einem dienstbaren Geist in Form eines Roboters auf einem einsamen Planeten. Dort hat er die allem Menschenwerk überlegene Technologie einer ausgestorbenen Zivilisation entdeckt. Da er die Erdbewohner für unwürdig erachtet, über die Alien- Technik zu verfügen, produziert die dunkle Seite seines Unterbewußtseins ein gewaltiges Monster, das alsbald die zur Kontrolle angereiste Besatzung eines Raumschiffes bedroht.
Was den Zuschauer außer tiefsinnigen Gedanken über das Böse im Menschen noch erwartet: geschmackvolles Weltraumdesign und gelungene Spezialeffekte in Eastmancolor und Cinemascope, Klamottenstar Leslie Nielsen in einer frühen Rolle als fescher Raumschiffkommandant sowie die schnuckelige Anne Francis in Kostümen, die besser zu einem Wassermusical gepaßt hätten. Die unheimliche Elektronikmusik (zweitausend Jahrhunderte alt) ist allerdings wirklich „spacy“.
Lars Penning
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen