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■ Filmstarts à la carteWenn der Stadtplan nicht mehr weiterhilft

Das Bild der Stadt im Film steht im Mittelpunkt des Septemberprogramms im Zeughauskino. Zwei Werke mit diametral entgegengesetzten Konzeptionen lassen sich in der kommenden Woche bewundern: Zu den einflußreichsten Filmen des amerikanischen Nachkriegskinos gehört Jules Dassins „The Naked City“.

Hatten bislang die dunklen Schatten und Kulissen artifizieller Studiowelten die Ästhetik des Film noir geprägt, so rang man dem Kino mit der „Entdeckung“ des Originalschauplatzes nunmehr ein im Kriminalfilm bislang nicht gekanntes Maß an Realismus und Authentizität ab. Mühsam gestaltet sich die Arbeit zweier Polizisten (Barry Fitzgerald und Don Taylor), die auf der Suche nach einem Frauenmörder die brodelnden Straßen und Viertel New York Citys durchmessen – bis zur furiosen finalen Konfrontation mit dem Killer auf einer Brücke.

Auch in Tim Burtons „Batman“ ist die Stadt ein wahrer Hort des Verbrechens: Abseits der hell erleuchteten Hauptstraßen regiert das Gesindel, und selbst die Einheimischen finden sich in den dunklen Ecken nicht einmal mehr mit einem Stadtplan zurecht.

Allerdings weisen die Entwürfe des Production designers Anton Furst keinerlei Spuren von Realismus auf: Der Anblick der nächtlichen Skyline von Gotham City erinnert an eine mittelalterliche Stadt – dicht aneinandergedrängte Spielzeughäuschen, die sich um einen alles überragenden Kirchturm gruppieren. Nicht umsonst läßt der Name „Gotham“ auch die „Gotik“ anklingen: Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen Batman und seinem Kontrahenten Joker (Jack Nicholsen) findet zwischen grotesk-dämonischen Steinskulpturen auf dem mit einem Holztreppenhaus ausgestatteten Turm der Kathedrale statt.

Neben den gotischen Elementen dominiert der Stil der dreißiger Jahre: Das Büro des Staatsanwaltes und die Räume der Zeitungsredaktion könnten trotz Ausstattung mit modernstem technischen Equipment durchaus einem alten Gangsterfilm entspringen. Nur Batman/Bruce Wayne residiert konsequenterweise in einem alten Herrenhaus: Denn eigentlich erleben wir die Rückkehr des Zorro. Bloß ohne Peitsche.

Eine kleine, aber feine Reihe im Eiszeit-Kino läßt die Herzen der Westernfreunde höher schlagen: Mit Filmen wie „Radio Ranch“ (Regie: Otto Brower und Breezy Reeves Eason) und „Carolina Moon“ (Regie: Frank McDonald) erfreute Gene Autry als singender Cowboy einst das Publikum der dreißiger und vierziger Jahre; in „My Pal Trigger“ (ebenfalls von Frank McDonald) und „Spoilers of the Plains“ (Regie: William Witney) ließ sein schärfster Konkurrent Roy Rogers die Stimmbänder vibrieren. Heute sind diese unprätentiösen und bisweilen bizarren Perlen des B-Westerns nahezu vergessene Raritäten, und der ungeheure Bekanntheitsgrad der beiden Hauptdarsteller (Gene Autry rangierte in den frühen Vierzigern unter den zehn populärsten Hollywood-Schauspielern) erscheint kaum mehr vorstellbar.

Die Filme von Autry und Rogers waren als jugendfreie Familienunterhaltung gedacht: Nicht zuletzt deshalb spielen ihre Pferde Champion und Trigger in den Geschichten meist eine prominentere Rolle als die hübschen Jungfrauen, die einem ehernen Genregesetz zufolge von unseren Helden den Klauen irgendeines wüsten Unholdes entrissen werden.

Lars Penning

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