■ Filmstarts à la carte: Einsatzfreudige Cops
Erst ballern und dann fragen, lautet das Motto von „Dirty Harry“ Callahan. „Wenn ein geiles Schwein hinter einer wehrlosen Frau her ist und sie dann vergewaltigen will, schieße ich sofort“, läßt der Polizeiinspektor aus San Francisco seine Vorgesetzten bereits zu Beginn wissen. Die sind von dieser Einstellung allerdings nicht begeistert, ebensowenig wie seinerzeit jene Kritiker, die Don Siegels Film Zynismus, Rassismus und die Apologie der Selbstjustiz vorwarfen.
Doch wenn man dann sieht, wie Harry (Clint Eastwood) zufällig einen Bankraub entdeckt, mit der 44er Magnum in der Hand lässig die Straße herunterschlendert und im Handumdrehen ein paar Räuber erschießt, während er weiter an seinem Hot dog kaut – dann erkennt man sofort, daß sein Auftreten sehr viel mit Western und sehr wenig mit der Realität zu tun hat.
Und außerdem: Daß ein Film über einen Zyniker nicht unbedingt zynisch sein muß, davon kann man sich in der kommenden Woche in einer Polizeifilmreihe im Notausgang überzeugen.
Sind bei Harrys übereifriger Jagd auf einen erpresserischen Killer die Fronten zwischen Gut und Böse dennoch recht eindeutig geklärt, so verwischen sich in Jean-Pierre Melvilles „Un Flic“ (Der Chef) die Unterschiede zwischen Polizist und Gangster: Kommissar Coleman (Alain Delon) geht seiner Profession mit der gleichen Kälte und Skrupellosigkeit nach wie der Verbrecher Simon (Richard Crenna) der seinen. Daß die Protagonisten miteinander befreundet sind und sogar die gleiche Frau lieben, erscheint da nur konsequent. Dominiert in Melvilles Film eine kühle Stilisierung, lebt „French Connection“ von William Friedkin vor allem vom Gespür für den Schauplatz New York: Dreckige Hinterhöfe, schummerige Bars und das unvermeidliche Verkehrschaos auf den Straßen liefern die Kulisse für die Jagd zweier Polizisten auf einen smarten Rauschgiftdealer. Und wieder gibt es einen übermotivierten Cop – vor „Popeye“ Doyle müssen sich selbst die Kollegen in acht nehmen. Der Film setzt auf Gene Hackmans physische Präsenz: Der bullige Schauspieler prügelt, rennt, schnauft und schwitzt mit bewundernswerter Beharrlichkeit.
Als Kontrastprogramm empfiehlt sich da ein Film, der nicht nur ohne Action auskommt – sondern sogar ohne Kamerafahrt oder -schwenk: „Akibiyori“ (Spätherbst) stellt im Werk des Japaners Yasujiro Ozu das Gegenstück zu seinem letzten Film „Ein Herbstnachmittag“ dar. Erzählt wird von den gleichen alltäglichen Dingen: den kleinen und großen Differenzen zwischen Alt und Jung sowie – ein zentrales Thema – verschiedensten Heiratsplänen, die prompt allerlei Verwirrungen stiften und dazu führen, daß einige Menschen glücklich und andere einsam werden. Daß „Akibiyori“ seine Geschichte im Gegensatz zum „Herbstnachmittag“ stärker aus einer weiblichen Perspektive entwickelt, macht den Film heiterer und vielleicht noch gelassener.
Lars Penning
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