Filmstarts à la carte: One - Two - Three - Kick!
Vom Tanzen verstand er eigentlich kaum etwas. Das Einstudieren der Schritte seiner Choreografien musste er an andere Tanzlehrer delegieren - dabei handelte es sich nur um einfache Formen des Stepptanzes. Und doch war Busby Berkeley einer der größten Choreografen und Regisseure des Musicals der 30er-Jahre: Er besaß die Fähigkeit, hübsche Chorus-Girls in geometrischen Mustern zu arrangieren und synchron in Bewegung zu setzen - ein Talent, das er als Armee-Ausbilder im Ersten Weltkrieg entwickelt hatte, als er sich neue Exerzierübungen für die Soldaten ausdachte. Wichtiger als der Tanz der Mädchen war für Berkeley jedoch allemal der Tanz der Kamera: Sie kroch auf dem Fußboden, wurde verkantet und auf den Kopf gestellt oder schien den Raum dank gewaltiger Kranfahrten zu durchschweben. Zu Berkeleys berühmtester Einstellung schwang sie sich zum senkrechten Blick auf die in kaleidoskopartigen Mustern arrangierten Girls an die Decke: der so genannte „Berkeley Top-shot“. Die enorme Geschwindigkeit und erstaunliche Präzision, mit der die Tänzerinnen diese geometrischen Muster zu erzeugen scheinen, wurde jedoch durch einen Trick erzielt: Tatsächlich filmte Berkeley die Auflösung der Formationen und kopierte die Einstellungen rückwärts in die Sequenzen. Im Gegensatz zu den Musicals mit Astaire/Rogers, die ihre Musiknummern in die Handlung integrierten, waren Berkeleys Choreografien stets eigenständige Teile der jeweiligen Filme - zu Beginn seiner Karriere als Filmregisseur wurden die eigentlichen Spielhandlungen stets von anderen Regisseuren inszeniert. So auch in „42nd Street“ (Regie: Lloyd Bacon/Busby Berkeley), einer jener typischen Backstage-Geschichten um die verschiedenen Schwierigkeiten bei der Produktion einer Broadway-Show, deren Proben wiederum Berkeleys atemberaubende Choreografien motivieren.
„42nd Street“ (OF) 19.1. im Arsenal
Bewundert man Berkeleys Musiknummern als brillante technische Kabinettstücke, so liegt den Tänzen des Fred Astaire eine andere Philosophie zugrunde: In seinen Filmen mit Ginger Rogers war der Tanz für Astaire stets das geeignete Mittel, um die anfangs noch widerspenstige Schöne zu verführen. In seinen Armen, zur Musik von Koryphäen wie Irving Berlin, schmolz sie schon bei den ersten Schritten dahin - mag Astaire später auch technisch begabtere Tänzerinnen an seiner Seite gehabt haben, seine Harmonie mit Rogers blieb unübertroffen. „Top Hat“ (Regie: Mark Sandrich), mit den phantastischen Venedig-Dekorationen des RKO-Art-Directors Van Nest Polglase und dem unbeschreiblich witzigen Edward Everett Horton an Astaires Seite, zählt zu den schönsten Filmen des Tanzpaares.
„Top Hat“ (OF) 18.1. im Arsenal
Einen ganz anderen Blick auf Tanz und Showbusiness wirft Dorothy Arzner in ihrem Film „Dance, Girl, Dance“ und erzählt die Geschichte zweier Frauen, die auf ihre von Männern dominierte Umwelt höchst unterschiedlich reagieren: Nachtclubtänzerin Bubbles (Lucille Ball) hat sich längst mit „Gönnern“ und einem nach Frauenfleisch gierenden Publikum abgefunden, ohne dabei ihre Würde und ihren Humor zu verlieren, während sich Maureen O‘Hara als klassisch ausgebildete Tänzerin unter Wert verkauft vorkommt und den Ignoranten im Publikum in einer Ansprache die Leviten liest. Ein ungewöhnlicher Film für das klassische Studiosystem Hollywoods, in dem sich Dorothy Arzner nach Tätigkeiten als Stenotypistin, Script-Girl, Drehbuchautorin und Cutterin als einzige Frau eine dauerhafte Karriere als Regisseurin aufbauen konnte.
„Dance, Girl, Dance“ (OmU) 20.1. im Arsenal
Lars Penning
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