Filmstarts à la carte: Lebensgier
■ Mit einer Filmreihe unter dem Titel „Fatal“ huldigt das Central-Kino vor allem dem Trash- und Exploitationkino. Dabei stehen die Frauen im Mittelpunkt: von lesbischen Vampirinnen bis zu Pam Grier, der schwarzen Ikone des Actionfilms. Nicht fehlen darf da natürlich Marilyn Chambers, die Porno-Queen der siebziger Jahre in David Cronenbergs genialem Horrorfrühwerk „Rabid“. Hier spielt Chambers eine junge Frau, die nach einem Motorradunfall und einer mißglückten Gewebetransplantation plötzlich mit einem blutsaugenden Stachel unter der Achselhöhle ausgestattet ist. Zunächst noch etwas zögerlich, später mit immer weniger Gewissensbissen macht sie sich an ihre Opfer heran (z.B. ironischerweise im Pornokino), die dabei mit einer Art Tollwut infiziert werden und das biedere Montreal in eine Art Vorhölle verwandeln. Immer wieder schön: wie der rasende Weihnachtsmann in einer Einkaufspassage erschossen werden muss. Auch G.W. Pabsts „Die Büchse der Pandora“ passt gut zur Thematik, denn auch Lulu mordet Männer und verströmt eine sexuell motivierte, ungebremste Gier nach Leben - selten wurde die „Unmoral“ dabei so attraktiv verkörpert wie von Louise Brooks. Die fließenden Kamerabewegungen und Brooks´ Verzicht auf theatralische Gestik und Mimik, der die meisten zeitgenössischen Kritiker zu der Annahme veranlaßte, sie sei eine miserable Schauspielerin, da sie ja „überhaupt nichts tue“ lassen den Film noch heute ungemein modern erscheinen. Für Louise Brooks führte Pabst in seinem Film „eine Untersuchung seiner Beziehungen zu Frauen“ durch, „mit dem Ziel, jede Leidenschaft, die seiner Leidenschaft für seine Arbeit in die Quere kam, zu besiegen.“
“Rabid - Der brüllende Tod“ 24.5. Central 1; „Die Büchse der Pandora“ 25.5. im Central 2
■ Nachdem zu Beginn des Monats der große Kinosaal des Filmkunsthauses Babylon nach langer Renovierungs- und Umbauphase wieder in Betrieb genommen werden konnte, erscheint es nur natürlich, auch dem ursprünglichen Erbauer des Hauses, Hans Poelzig, einen kleinen Tribut zu zollen, zu dem auch die restaurierte Kinoorgel ihren ersten öffentlichen Einsatz bekommt. Denn Poelzig gehörte zur ersten Garde der Stummfilmarchitekten: In „Der Golem, wie er in die Welt kam“ von Paul Wegener und Carl Boese baute er ein Judengetto mit schmalen Gassen und windschiefen, steil aufragenden Häusern, die in der mittelalterlichen Geschichte von der Bedrohung der Juden durch einen eitlen Kaiser für eine beklemmende und mysteriöse Atmosphäre sorgen.
“Der Golem, wie er in die Welt kam“ 26.5.-27.5. im Filmkunsthaus Babylon
■ “Es ist so schwierig, Leute auf elegante Weise umzubringen, zu denen man keine freundschaftlichen Beziehungen unterhält“, beklagt sich ein kleiner Angestellter (Dennis Price), dem auf dem Weg zu Herzogswürde und Reichtum leider noch acht Mitglieder einer blaublütigen Familie (allesamt verkörpert von Alec Guinness) im Wege stehen. Doch von Schwierigkeiten lässt sich Price in Robert Hamers schwarzer Komödie “Adel verpflichtet“ nicht entmutigen, zumal ihm zunächst auch das Schicksal zur Seite steht: Dass dem Herzogspaar Zwillinge geboren wurden, sei schon ein schwerer Schicksalsschlag gewesen, sinniert er da einmal - doch eine Diphterieepidemie habe den Status Quo schnell wieder hergestellt und als „Bonus“ gleich noch die Herzogin hinweggerafft.
“Adel verpflichtet“ (OmU) 30.5. im Arsenal 2
■ Wie funktioniert Propaganda? In seinem 1965 entstandenen Film „Der gewöhnliche Faschismus“ geht der sowjetische Regisseur Michail Romm der Frage nach, was Menschen dazu bringen kann, einer verbrecherischen Ideologie zu folgen. Im Umgang mit den „Dokumentar“materialien der Nazis vermeidet Romm jede Objektivierung und kommentiert statt dessen mit bitterem Sarkasmus. Er sucht das Lächerliche in den pompösen Inszenierungen und ironisiert es durch ständige Wiederholungen.
“Der gewöhnliche Faschismus“ (Om engl. U) 26.5. im Arsenal 1
Lars Penning
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen