Filmstarts à la carte: Kulleraugen in der Kanalisation
Japanische Kultur allerorten: Das Museum für Ostasiatische Kunst eröffnete gerade eine Ausstellung über Mangas, das Arsenal zeigt eine Reihe von japanischen Zeichentrickfilmen, und im Central-Kino sorgt man sich ganz allgemein um das neue japanische Kino. Dazu gehört auch der Animationsfilm „Jin-Roh“ (1998) von Regisseur Hiroyuki Okiura, der bereits beim Publikumserfolg „Ghost in the Shell“ als Chef-Animator mitarbeitete. Die Geschichte einer komplizierten Intrige zwischen rivalisierenden Polizeieinheiten bedient sich der Erzählstrategien herkömmlicher Spielfilme und entwickelt vor allem in der Ausführung der Hintergründe einen solchen Hyperrealismus, dass man sich manchmal fragt, ob es sich tatsächlich noch um Zeichnungen handelt. „Jin-Roh“ entwirft das Bild einer düsteren, modernen Großstadt mit außergewöhnlichen Schauplätzen: von der Kanalisation (da bediente man sich recht freizügig bei „Der dritte Mann“), über ein Naturkundemuseum bei Nacht bis zum Rummelplatz auf dem Dach eines Wolkenkratzers. Auf den Straßen befindet sich alles in Bewegung: Menschenmassen und S-Bahnen durcheilen die Stadt, Lichtreflexe tanzen im Regen, die Spiegelungen der Hauptfiguren in den Scheiben der Straßenbahn erzittern bei Erschütterungen. Und trotz des Computerzeitalters wurde noch alles mit der Hand gezeichnet: eine beeindruckende animationstechnische Leistung.
„Jin-Roh“ (Om engl.U) 12.7.-13.7. im Central 1
Seltsam, seltsam: Punk und New Wave waren in vollem Schwange, jeder, der auch nur entfernt den Anspruch auf eine gewisse Coolness erhob, hatte sich gerade einen modischen Kurzhaarschnitt verpassen lassen - und Milos Forman verfilmte das Hippie-Broadway-Musical „Hair“. Da werden lange Haare wie ein religiöser Kult gepflegt, LSD-Trips fungieren als Hostienersatz und der Protest gegen den Vietnamkrieg gilt als Selbstverständlichkeit. Erklären ließe sich dieses Phänomen vielleicht am ehesten mit dem Interesse des Exil-Tschechen Forman an verschiedenen historischen Epochen amerikanischer Geschichte (wenig später brachte er in „Ragtime“ die Zeit um die Jahrhundertwende auf die Leinwand) sowie seiner Liebe zur sozialen Satire, wie sie in „Hair“ etwa in der Konfrontation zwischen den Hippie-Habenichtsen und den Teilnehmern einer langweiligen Upper-Class-Party ihren Ausdruck findet. Mittlerweile sind seit Entstehung des Films zwei weitere Dekaden ins Land gezogen, und manches wirkt heute eher wie Camp: feine Ladys beim Ausritt durch den Central Park schockieren, indem man ihnen „Masturbation can be fun“ ins Gesicht singt zum Beispiel. Noch immer mitreißend ist hingegen die Choreographie von Twyla Tharp - von den Tänzen im Park, in die sogar die Polizeipferde einbezogen sind, bis zu den kuriosen Drogenvisionen mit einer fliegenden hochschwangeren Braut und „Hare Krishna“ singenden Chören. Ebenfalls im Programm: „Einer flog übers Kuckucksnest“, Formans bittere Satire über die phantasievolle Revolte in einer psychiatrischen Klinik - angezettelt von einem sozialen Außenseiter, den Jack Nicholson mit großer Verve verkörpert.
„Hair“ 14.7. im Naturtheater Friedichshagen; „Einer flog über das Kuckucksnest“ 12.7., 14.7.-15.7. im Filmmuseum Postdam
Schon kurz nach der Premiere erwies sich Fritz Langs berühmter Stummfilm “Metropolis“ als monumentaler Flop, der aus verschiedenen Gründen verstümmelt und verfälscht wurde. Seit vielen Jahren bemüht man sich nun um die Rekonstruktion, doch ein Viertel des originalen „Metropolis“ muss wohl als verloren gelten. Auch die Verwendung des Originalnegativs der amerikanischen Verleihkopie von 1927 für die neue von Martin Koerber erstellte Fassung erbrachte gegenüber früheren Rekonstruktionen kein vollständigeres Material - allerdings kann man den Film jetzt in einer bislang nicht gekannten Bildqualität bestaunen.
„Metropolis“ 12.7. im Freiluftkino Friedrichshain; 15.7. im Podewil
Lars Penning
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