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FilmfestspieleBerlinale-Depressionen

Wie es einem Filmkritiker ergeht, der an Vielfilmguckrekordversuchen scheitert

Dies ist meine dreizehnte Berlinale. Zum ersten Mal war ich 1985 auf den Filmfestspielen. Mit Dauerkarte und Vielfilmguckrekordversuchen. Sechs Filme am Tag lassen sich machen; so viel hab’ ich später nie mehr geschafft. Ein paar Jahre ignorierte ich die Berlinale, weil ich kein Geld für eine Dauerkarte hatte, und ab und an mal einen Film zu sehen, ist völlig sinnlos. Da kommt man nicht rein, da bleibt man ja draußen und ist nur frustriert. Das ist ja nicht der Sinn der Sache. Es geht ja im Gegenteil darum, so viel zu gucken, wie es geht; auch jetzt noch, als bezahlter Journalist.

Man stellt sich bestimmte Kriterien auf – Forum viel, Wettbewerb wenig, Panorama mal sehn – und schreibt dann alle Filme auf, die aus Ländern kommen, die einem sympathisch sind (alles östlich der DDR) oder Themen behandeln, die einen interessieren: Selbstmord, Sex und traurige Geschichten meinetwegen. Dann zieht man das durch und schafft vielleicht zwei Drittel, und nach der Berlinale kriegt man eine Depression.

Als ich meine Dauerkarte noch selber gekauft habe, hatte ich vielleicht mehr Spaß an den Filmfestspielen; ärgerte mich allerdings auch ständig – über deutsche Filme, über Filmkritiken oder auch über die Diskussionen mit den Filmemachern, die Ulrich Gregor immer so führte. Da macht ein junger Mann zum Beispiel in einem Film Selbstmord, und Gregor fragt, ob das sozusagen repräsentativ sei für die Jugend des Landes, aus dem der Film kommt.

Mittlerweile bewundere ich Herrn Gregor für die Souveränität, mit der er viermal am Tag seine Filmgespräche bestreitet. Für die Standardfragen, die mir damals oberflächlich erschienen und die mir jetzt wie ein Zuhause sind, in dem man sich schön ausruhen kann. Und dafür, dass er gegen Ende oft so sehr ins Filmgespräch vertieft ist, dass er alles andere um sich herum vergisst und minutenlang Silvia Andresen, die Leiterin des Delphis, übersieht, wie sie ihm verzweifelte Zeichen macht, doch unbedingt jetzt aufzuhören, weil er schon wieder so wahnsinnig überzogen hat. Und weil Herr Gregor immer so gerne überzieht, fangen die letzten Vorstellungen im Delphi noch später an. Statt um halb eins meinetwegen um viertel vor eins. Je weiter ein Film in die Nacht hineinragt, desto glücklicher ist man. Das ist ein Erfahrungswert aus 13 Jahren.Detlef Kuhlbrodt

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