Filmfestspiele Cannes: Das französische Kino ist tot
■ ...aber die Leiche schminkt sich
Das Festival, sagen die Offiziellen - und die Zeitungen berichten es, als sei es das Ergebnis eigener Recherche -, habe sich nunmehr aufs Kino besonnen. Allzu aufdringlich habe sich im letzten Jahr, beim Jubiläumsfestival, das Fernsehen in den Vordergrund gedrängt, die Nachrichtenstars seien heute populärer als Gerard Depardieu. Darum habe das diesjährige Festival, sagen seine Offiziellen und plustern sich, das Fernsehen schon in der Akkreditierungspolitik bewußt streng behandelt. Und das Fernsehen - das durch die Pariser Regierungsumbildung ohnehin ziemlich beschäftigt ist - hat es hingenommen. Vielleicht hatte es einfach keine Lust, die Leiche zu schminken. Den Kinos in Frankreich und dem französischen Kino geht es nämlich sehr sehr schlecht. Zuschauerzahlen und Einnahmen sind in den beiden letzten Jahren um jeweils zweistellige Prozentzahlen zurückgegangen, und wenn einmal ein Film Erfolg hat, dann ist es ein amerikanischer. Schuld ist das Fernsehen, das kommerzielle a la Berlusconi und das Pay–TV a la „Canal plus“, die jeden Abend fünf oder sechs Filme zeigen, sagen die Offiziellen, die Zeitungen und das Fernsehen. Ich sage: „Delphine sind zwar Säugetiere, aber irgendwie auch fischig.“ So sind die französischen Filme, sie sind zwar Filme, aber irgendwie sehen sie alle aus wie Videoclips. Schuld ist das französische Kino. Über Le grand Bleu, den Eröffnungsfilm von Jean–Luc Besson (Subway), möchte man seine Galle ausgießen, wäre sie nicht so ein kostbarer Saft. Deshalb nur ganz kurz: Statt für Rosanna Arquette, die ihn anbetet, entscheidet sich ein junger Taucher für ein Seil, an dem er sich immer wieder 100 Meter und weiter in die Meerestiefe hangelt, wobei er drei Minuten und länger die Luft anhält und sein Herz sehr langsam schlägt. Meins auch. Nur das von Rosanna Arquette ist am rasen, warum genau, bleibt unerfindlich, denn der junge Taucher ist ihr gegenüber seltsam abweisend und ausdruckslos, selten nur schenkt er ihr ein Lächeln von submariner Entrücktheit. Arme Rosanna: Als hektische New Yorker Brillenschlange und Betriebsnudel in Susan, verzweifelt gesucht, und after hours, habe ich sie so geliebt. Einmal immerhin ist der junge Taucher in ihres Leibes Tiefe gedrungen, und wahrlich, der Leib wird Frucht tragen. So kann der kleine Taucher zuguterletzt unten bleiben und seine Lieblingsdelphinin liebkosen. Wir wünschen ihm einen angenehmen Liebestod, hoffen aber, daß Rosanna abtreibt.
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