Filmfest in Venedig: Ins Netz gegangen
Üble Geheimdienstmachenschaften: In Kim Ki-duks Films „The Net“ gerät ein nordkoreanischer Fischer in die Fänge des südkoreanischen Militärs.
Der Rasen wirkt so saftig grün und frisch verlegt, dass man der Versuchung nicht widerstehen kann, seinen noch ungebrochenen Widerstand unter den Füßen zu spüren. In diesem Jahr gibt es nämlich, umringt von einer kräftig leuchtenden Grünfläche, einen Neubau auf dem Festivalgelände, der auf den passenden Namen „Sala Giardino“ hört. Jahrelang gab es an derselben Stelle lediglich ein klaffendes Loch und ambitionierte Baupläne, die Italiener sprachen schon vom „buco della vergonia“, dem Loch der Schande.
Rot glänzend, wirkt der Kasten mit Leichtbaustruktur gleichwohl wie ein Provisorium. Der Eindruck bestätigt sich innen, wo die Sitzreihen auf knarrenden Spanplatten befestigt sind. Tatsächlich gibt es hier noch Verbesserungsbedarf: Kurz vor Filmbeginn sorgt das Geräusch von Akkubohrern für ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums.
Der Grund sind Stuhlreihen, die nicht ausreichend in den Brettern verankert sind, weshalb noch einmal ausgiebig nachjustiert wird. Tatsächlich beginnen nach und nach überall im Raum die Sitze bedenklich zu schwanken, vermehrt wird der Ruf nach den Helfern laut, sogar als der Trailer der Mostra schon längst zu laufen begonnen hat, surren die Bohrer noch. Darüber geht die Begrüßung der Ehrengäste in der Sala Giardino fast unter.
Denn der koreanische Regisseur Kim Ki-duk, dessen Film „Geumul“ (The Net) zur Einweihung des Saals gezeigt wird, sitzt mit zwei Hauptdarstellern im Publikum. Der Titel „The Net“ ist doppeldeutig gewählt: Ein nordkoreanischer Fischer, dessen Revier im Grenzgebiet zu Südkorea liegt, gerät aus Versehen – sein Netz verfängt sich im Bootsmotor – auf die andere Seite seines Sees und wird dort von südkoreanischen Militärs in Empfang genommen.
Die Filmfestspiele von Venedig finden alle Jahre von Ende August bis Anfang September auf dem Lido in Venedig statt, dieses Jahr zum 73ten Mal. Das Filmfestival umfasst die vier Kategorien „Wettbewerb“, „Außer Konkurrenz“, „Horizonte“ und „Venice Classics“.
Den Weg zurück ins frühere Leben finden
Von da an verfängt er sich, fast wie bei einem herkömmlichen Spionagethriller, im symbolischen Netz der Geheimdienste. Erst auf südkoreanischer Seite, wo er als Spion verdächtigt wird, bei seiner Rückkehr dann auch auf nordkoreanischer Seite, wo man umgekehrt vermutet, dass er von den Südkoreanern angeworben wurde.Der Fischer versucht bei alledem, aufrecht zu seinem Land zu stehen. Was ihm auf südkoreanischer Seite zunächst noch halbwegs leichtfällt.
Kim Ki-duk zeigt dabei nicht nur die fast identische Arbeitsweise der Geheimdienste, er lässt seine „eigene“, die südkoreanische Seite, in ihrer Vorgehensweise zudem keinesfalls vorteilhafter aussehen als die Kollegen im Norden. Denn im Süden mag man einfach nicht glauben, dass es Menschen gibt, die lieber bei ihrer Familie im Norden bleiben, als in den freien Süden überlaufen wollen.
Am Ende lässt Kim Ki-duk seinen zweifach verratenen Protagonisten vielleicht eine Spur zu konsequent handeln. Bis dahin ist man ihm in diesem trocken inszenierten, graublaue Farbtöne bevorzugenden Film jedoch gebannt gefolgt bei seinem Versuch, den Weg zurück zu finden in sein früheres Leben.
Nachdem man selbst wieder seinen Weg nach draußen gefunden hat, gibt es dann noch ein bisschen Starbeschau: Auf dem roten Teppich bereiten sich die Jurymitglieder auf die Eröffnungsfeier vor, gut zu erkennen etwa die Schauspielerin Nina Hoss und, ein Stück kleiner, die Künstlerin Laurie Anderson. Jubilatorisches Gekreische wie bei Popstars. Stimmt ja auch.
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