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Filmerin ohne Herde

■ Ulrike Ottinger über Streichhölzer, Schamanen und ihren neuen Dokumentarfilm „Taiga“, der heute startet

taz: An Ihrem Film „Taiga“ fällt die Geduld und Behutsamkeit auf, mit der er gedreht wurde. Wie haben Sie diese Geduld aufgebracht, was interessiert Sie so an Asien und der Mongolei?

Ulrike Ottinger: Das war ein Kindertraum, der so stark war, daß er sich beharrlich durchgesetzt hat im Laufe meines Lebens. Taiga ist ja nicht der erste Film, den ich in Asien gedreht habe, ich war schon sehr oft dort und habe viel darüber gelesen. Es ist schwer zu sagen, worin genau die Faszination liegt. Auf meinen Reisen haben sich mir immer neue Fragen gestellt. Ich hatte Lust, zurückzukommen und noch einmal etwas Dokumentarisches zu machen.

Haben Sie vor dem Drehen eine längere Zeit mit den Leuten gelebt?

Ja, Sie können da nicht mit der Tür ins Haus, oder besser in die Jurte fallen. Es gibt Höflichkeitsregeln, die einzuhalten sind. Ich habe viele Geschenke überreicht. Streichhölzer zum Beispiel sind ein symbolisches Geschenk, weil das Feuer verehrt wird. Ab diesem Augenblick passiert einem dann nichts mehr, weil man Gast ist.

Wollten Ihre Gastgeber denn auch mal etwas von Ihnen wissen?

Ja natürlich, die waren sehr neugierig, und ich habe auch viel erzählt. Sie konnten sich zum Beispiel gar nicht vorstellen, daß ich in Europa keine Herden habe.

Das Zusammenleben der Menschen wirkt im Film fast unglaublich friedlich. Ist das wirklich so?

Die Nomaden sind sehr aufeinander angewiesen. Ich habe nicht einmal ein böses Wort gehört. Wenn das passieren sollte, ist das so unerhört, daß es schnell zu einer Schlägerei oder zu einem Mord kommt. Wenn Spannungen nicht zu lösen sind, wird eine schamanistische Seance abgehalten.

Wie hat sich das Verhalten der Menschen verändert, wenn die Kamera lief?

In der mongolischen Gesellschaft haben Photos, auch die von den Ahnen, einen sehr wichtigen Platz. Wenn es mal die Möglichkeit gibt, fotografiert zu werden, kommen sie von überall her. Ich wußte das und hatte eine Polaroidkamera dabei. Beim Filmen haben wir uns geeinigt, daß ich sie einfach begleite. Manchmal wurde die Kamera vergessen, dann wiederum hat es den Leuten offensichtlich gefallen, daß ihre Handlungen gefilmt wurden — das Vergnügen daran, daß das beobachtet wird, was man selbst liebt.

Sind sie auf Tabus gestoßen, auf etwas, was Sie nicht filmen durften?

Bei Tod oder Geburt gibt es große Angst vor Geistern. Wir wurden zum Beispiel mit dem Tod eines Schamanen in Verbindung gebracht, der kurze Zeit nach unserer Ankunft starb. Wenn seine Tochter nicht für uns gesprochen hätte, wären wir unter Umständen umgebracht worden.

Zog Ihr Besuch dort irgendwelche Folgen nach sich?

Auf unsere Ungeschicklichkeiten wurden Spottlieder gedichtet. Die werden jetzt weitergesungen; es gibt also so etwas wie einen neuen Mythos.

Fragen: Birgit Maaß

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