Film "Tropical Malady": Tiger, hungrig und einsam
Sanfte Dekonstruktion statt Bildersturm: 3sat zeigt den thailändischen Spielfilm "Tropical Malady" - am Dienstag um 22.25 Uhr.

Ein Tiger füllt das gesamte Bild. Den Kopf richtet er frontal zur Kamera. Sein Leib schimmert grün im spärlichen Licht der Urwaldnacht, seine Flanken heben und senken sich im Rhythmus seiner Atmung. Nach dem Schnitt sieht man den Mann, der den Tiger jagen und erlegen wollte. Er kniet auf dem Waldboden, nicht imstande, sich zu bewegen. Als hätte das Raubtier ihn hypnotisiert, kann er sich dessen Blick nicht entziehen.
Diese Szene findet sich gegen Ende von "Tropical Malady", dem dritten Langfilm des jungen thailändischen Regisseurs Apichatpong Weerasethakul. 2004 erhielt er im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes den Großen Preis der Jury. "Tropical Malady" ist ein Solitär, eine Reise in unbekanntes Terrain, ein Film über die Liebe, die umso reicher wird, je näher sie der titelgebenden Krankheit, der "malady", kommt. Ein Film, der gegen das Regelwerk gewöhnlicher Kinogrammatik verstößt. Er rückt den Vorspann vom Anfang ins erste Drittel hinein, er lässt den ersten Teil mit einer außergewöhnlich lange währenden Schwarzblende einfach abbrechen, und was folgt, hat mit dem Vorangegangenen scheinbar nichts zu tun. Dabei fehlt diesen Verstößen alles Aggressive. "Tropical Malady" betreibt sanfte, spielerische Dekonstruktion statt Bildersturm.
Der erste Teil beschreibt in elliptisch montierten Szenen die Freundschaft und Verliebtheit zwischen einem jungen Soldaten, Keng (Banlop Lomnoi), und dem jungen, am Rand von Bangkok lebenden Tong (Sakda Kaewbuadee). Schauplatz ist mal die Großstadt mit ihren Garküchen, ihren Kinos, Internetcafés und Vergnügungsparks, mal die ländliche Umgebung, die Hütte von Tongs Familie, eine Grotte, die zugleich als Tempel dient, ein Unterstand im Wald.
Bunt und licht ist dieser erste Teil. Mit offenem und neugierigem Blick erkundet er die subtropische, periphere Moderne, die Neonlichter Bangkoks, die leuchtenden Farben der Kleidung, die alltäglichen Verrichtungen der Figuren, ihre Arbeit- und Mußestunden. Er spielt fast ausschließlich nachts und in einem Dschungel, der durch die reiche, komplexe Tonspur selbst zu einem Protagonisten wird.
Eine Figur, vom selben Darsteller gespielt wie Keng im ersten Teil, macht Jagd auf einen shape shifter, einen Schamanen, der sich bei Einbruch der Dunkelheit in einen Tiger verwandelt und Menschen anfällt. Je tiefer der Jäger in den Wald eindringt, umso mehr verwischen die Grenzen zwischen Jagen und Gejagtwerden. Nicht umsonst prophezeit ihm ein sprachbegabter Affe: "Der Tiger folgt dir wie ein Schatten. Er ist hungrig und einsam. Du bist seine Beute und sein Gefährte."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!