Film "Der Vater meiner Kinder": Filmvater ohne Filmkinder
Regisseurin Mia Hansen-Løve setzt ihrem Produzenten ein liebevolles Denkmal. Sonst unterscheidet der Film sich wenig von Kinogeschichten gescheiterter Unternehmer.
Manchmal, wenn das Handy mal nicht klingelt, scheint Grégoire Canvel (Louis-Do de Lencquesaing) nach Innen zu lauschen. Als gäbe es da noch etwas, eine vage Idee vom Eigentlichen. Bevor sich sein ganzes Tun im Uneigentlichen – Gläubiger abwimmeln, Banken und Investoren beschwichtigen, Mitarbeiter und Regisseure beruhigen – verliert.
Eine Erinnerung daran, warum er das Kino einmal so liebte. Doch jetzt hört er nur noch auf das Ein und Aus des eigenen Atems und spürt, dass ihm eine Erschöpfung die Glieder und Seele verbleit, die nicht mehr durch Schlaf aufzuheben ist. Er holt eine Pistole aus der Schublade, geht auf die Straße und schießt sich in den Kopf.
Produzenten, zumindest die, die wir von Altman, Wenders, Fellini oder Truffaut kennen, genießen nicht gerade einen Ruf als feinsinnige Kunstkenner. Eher sind es die klassischen Vertreter des Filmkapitalismus, die den Warenwert eines Films ausloten, Stars und Skandale lancieren und im sympathischsten Fall davon träumen, mit großartiger Filmkunst einen internationalen Blockbuster zu landen.
Mit Grégoire Canvel setzt die Regisseurin Mia Hansen-Løve nicht nur ihrem eigenen Produzenten, der sich tragischerweise das Leben nahm, ein liebevolles Denkmal, sondern auch allen anderen Arthouse-Idealisten, ohne die das europäische Kino einpacken könnte.
Doch davon abgesehen unterscheidet "Der Vater meiner Kinder" wenig von den anderen Kino- und TV-Geschichten gescheiterter Unternehmer und in suizidaler Verzweiflung abgetriebener Familienväter. Denn das Objekt von Grégoires Passion bleibt ungeschickterweise ausgeblendet. Da ist mal von seiner Vorliebe für "schwierige Filme" die Rede oder von launischen Regiekoryphäen. Doch dem Film im Film verweigert sich Hansen-Løve.
Dabei leben Filme, die vom Filmemachen erzählen, oder eben vom verhinderten Filmemachen, gerade vom Wechselspiel zwischen der kleinen Wahrheit und der großen Illusion, zwischen Wirklichkeit und Kino, zwischen Entlarvung und unaufhörlicher Gaukelei.
Auch wenn der Produzent in "Der Vater meiner Kinder" nicht für die Inszenierungskunst selbst aufkommt, steht er doch mit jeder Faser seines Körpers für eine Vision vom Kino. Und genau die unterschlägt uns Mia Hansen-Løve und lässt uns allein mit dem Anblick eines Mannes, der raucht, wenn er atmet, und telefoniert, wenn er spricht.
So sehr es einen rührt, dass dieser Mann sich nach allem Geracker für das große schwarze Nichts entscheidet, so ratlos macht Hansen-Løves konventionelle und bewusst oberflächliche Erzählweise. Nur einmal sehen wir Canvel in einem innigen Moment voller Schaulust und Liebe zu Form und Maß. Da hockt er mit seinen beiden Töchtern andächtig unter einer Kirchenkuppel und spricht von der Schönheit. Viel zu kurz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!